06.11.2013 Aufrufe

Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Sprachreflexion über politisch inkorrekte Wörter 229<br />

deshalb darauf hin, dass nur eine quantitative Studie über die Wahrnehmung<br />

und den Gebrauch von politisch korrekten Termini Aufschluss über deren<br />

tatsächlichen Status im zeitgenössischen Englisch bieten kann. PC-Verfechter<br />

lassen eine ganze Reihe von Verwendungsweisen unberücksichtigt, wenn<br />

sie ihren Maßstab bloß am nackten Wort ansetzen, wo ihnen der pragmatische<br />

Zugang verwehrt bleibt. Eine wichtige These von Andrews (1996) besagt:<br />

„[T]he more taboo a particular word becomes, the more likely it will<br />

survive in alternative social settings“ (Andrews 1996, 400). Meine Gesprächsaufzeichnungen,<br />

die das Scherzen via Tabubruch immer wieder belegen,<br />

sind innerhalb eines solchen Alternativmilieus entstanden und können diese<br />

These daher bestätigen. Andrews interessiert sich für die Rolle der Intention<br />

und Motivation, die hinter dem Gebrauch bzw. Nicht-Gebrauch von politisch<br />

korrekten Wörtern steckt. Nur über Sprecher und Hörer lässt sich ihr zufolge<br />

die Bedeutung feststellen und etablieren, im Sprechakt also, im konkreten<br />

Kontext. „There is nothing intrinsic to the linguistic form in the abstract<br />

without its realization in the speech act“ (Andrews 1996, 402). Da <strong>Hate</strong> <strong>Speech</strong>-Ausdrücke<br />

allerdings ein Verletzungspotential besitzen, das bereits in<br />

ihrer Semantik angelegt ist, kann ich mich dieser extremen Haltung nur bedingt<br />

anschließen. Diese Wörter haben eine beleidigende Kraft, über die sich<br />

schon vor der Verwendung in einem konkreten Kontext konsensfähige Aussagen<br />

treffen lassen. Die Sätze John is a nigger und John is a black man sind<br />

semantisch nicht äquivalent. Der erste Satz leitet sich nicht aus dem zweiten<br />

ab, da er im Unterschied zu diesem die Abwertung einer Personengruppe<br />

vornimmt. Williamson (2009) erklärt einen solchen Unterschied mithilfe der<br />

konventionellen Implikaturen nach Grice (1993). Solche konventionellen<br />

Implikaturen gehören zur Bedeutung der Wörter, die sie generieren, sind Teil<br />

der mit ihnen assoziierten Stereotypen. Die genaue Beziehung zwischen<br />

konventionellen Implikaturen und Stereotypen muss noch erforscht werden.<br />

Nigger und black man nehmen jedenfalls beide die Kategorisierung „Mensch<br />

mit schwarzer Hautfarbe“ vor. Das N-Wort implikatiert jedoch konventionell,<br />

dass Schwarze negative Eigenschaften haben, welche sich mithilfe der<br />

entsprechenden Stereotypen genauer benennen lassen. Auch nicht-pejorative<br />

Verwendungsweisen vermögen es nicht, die beleidigende Kraft solcher<br />

Wörter vollständig zu unterdrücken. Sie schwingt stets mit und sorgt so für<br />

den Tabubruch, der beispielsweise für das Gelingen eines Scherzes von<br />

grundlegender Bedeutung sein kann. Keller/Kirschbaum (2003) definieren<br />

Tabuwörter als „Wörter, die man zwar kennen sollte, aber nicht ohne weiteres<br />

verwenden darf“ (Keller/Kirschbaum 2003, 2). Aufgrund dieser Eigenschaft<br />

kann mit Tabuwörtern besondere Expressivität zum Ausdruck gebracht<br />

werden. Ihre Verwendung führt zum Tabubruch, der einen gewissen<br />

Überraschungseffekt auslösen oder gar Unterhaltungswert haben kann. Die

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!