Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
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Know Your Enemy 61<br />
len sogar dann, wenn sie explizit zur Vernichtung von Menschen aufrufen. 3<br />
Seit jeher gehört das systematische Schüren von Hass zum rhetorischen Repertoire<br />
von Demagogen wie Hitler oder Osama bin Laden, die zu diesem<br />
Mittel greifen, um ihre Zuhörerschaft gegen vermeintliche oder tatsächliche<br />
Feinde ihrer Ideologie aufzuhetzen. Typischerweise beruht dieser instrumentelle<br />
Gebrauch von <strong>Hassrede</strong> zu politischen Zwecken auf folgendem<br />
Kalkül:<br />
[H]ate speech seeks to move an audience by creating a symbolic code for<br />
violence. Its goals are to inflame the emotions of followers, denigrate the designed<br />
out-class, inflict permanent and irreparable harm to the opposition, and<br />
ultimately conquer. (Whillock 1995, 32)<br />
Doch auch dann, wenn mit <strong>Hassrede</strong> kein instrumenteller, sondern expressiver<br />
Nutzen verfolgt wird, es dem Hassredner also lediglich um die Genugtuung<br />
geht, der eigenen Gesinnung Ausdruck verliehen zu haben, kann sie<br />
politische Auswirkungen haben, sofern sie in der „breiten“, d. h. in keinerlei<br />
Hinsicht zugangsbeschränkten Öffentlichkeit stattfindet. Mit <strong>Hassrede</strong>n haben<br />
Kriege und Völkermorde begonnen; in weniger dramatischer Hinsicht<br />
finden sie außerdem regelmäßig Eingang in den politischen Diskurs von<br />
Demokratien. In den USA etwa ist „<strong>Hate</strong> <strong>Speech</strong>“ bereits seit etlichen Jahrzehnten<br />
ein Politikum, d. h. Anlass und Gegenstand einer politischen Debatte,<br />
deren bemerkenswerte Schärfe neben der ungebrochenen Brisanz der<br />
Rassenfrage vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass das Recht auf freie<br />
Rede in den USA sehr viel weiter reicht als in anderen westlichen Demokratien.<br />
4 In der Bundesrepublik wurde erst vor wenigen Jahren eine intensive<br />
Debatte um die von islamistischen „Hasspredigern“ ausgehenden Gefahren<br />
geführt; als Konsequenz wurde unter anderem das Aufenthaltsrecht von<br />
Ausländern im Jahr 2005 einschneidend reformiert. 5<br />
3<br />
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5<br />
Nach Jon Elster (2007, 148, 153) ist Hass ein Gefühl, das aus der Überzeugung<br />
gespeist wird, dass bestimmte Personen böse sind. Damit befördere Hass<br />
tendenziell auch den Wunsch nach physischer Vernichtung dieser Personen.<br />
Allerdings melden sich in jüngerer Zeit verstärkt auch liberale Rechtstheoretiker<br />
zu Wort, die sich vor dem Hintergrund der „<strong>Hate</strong> <strong>Speech</strong>“-Problematik dafür aussprechen,<br />
den in den USA gewährten Schutzumfang der Meinungsfreiheit zu reduzieren<br />
und an kontinentaleuropäische Verhältnisse anzupassen; siehe etwa<br />
Waldron 2009.<br />
Speziell der Bekämpfung von „Hasspredigern“ dient seitdem die Vorschrift, dass<br />
ein Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn er „in einer Weise, die geeignet<br />
ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, zum Hass gegen Teile der<br />
Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert<br />
oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Be-