Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Dies ist kein Hassbrief – sondern meine eigene Meinung über Euch!“ 147<br />
sowie emotionale Einstellungen, die die öffentliche Meinung und das kollektive<br />
Bewusstsein massiv und nachhaltig beeinflussen können (vgl. hierzu<br />
Schwarz-Friesel 2009). Kein anderes Phänomen in der Geschichte der <strong>Hassrede</strong><br />
demonstriert dies so eindeutig wie der Verbal-Antisemitismus.<br />
3. Verbal-Antisemitismus: sprachlich kodierter Judenhass<br />
Verbal-Antisemitismus bezeichnet die Gesamtheit aller sprachlichen Manifestationsformen<br />
expliziter wie impliziter Art, mit denen Juden stigmatisiert<br />
und diskriminiert werden, mit denen judenfeindliche Stereotype kodiert und<br />
Ressentiments transportiert werden (vgl. hierzu die Klassifikation in<br />
Schwarz-Friesel 2007, 347 ff. und 2009). Die Palette der Verbal-Antisemitismen<br />
reicht von generischen All-Aussagen wie Alle Juden sind geldgierig und<br />
Schimpfwörtern wie Judenschwein über Floskeln vom jüdischen Kapital bis<br />
zu Implikatur-vermittelnden Andeutungen wie Warum wohl schweigen Juden<br />
zu den Verbrechen in Israel?<br />
Antisemitismus ist untrennbar gekoppelt an tradierte Stereotype, deren<br />
Kenntnis unabdingbar ist, wenn man das Phänomen angemessen beschreiben<br />
und erklären will. Ein Stereotyp ist eine mentale, also geistige Repräsentation,<br />
die als charakteristisch erachtete Merkmale eines Menschen/einer Menschengruppe<br />
abbildet. Dabei kann es durch grobe Generalisierung bzw. Simplifizierung<br />
oder Fiktionalisierung zu einer reduzierten, verzerrten und/oder<br />
falschen Konzeptualisierung des Repräsentierten kommen. Wird ein Stereotyp<br />
geknüpft an eine pejorative emotionale Bewertung im Sinne einer negativen<br />
Einstellung (also eines Ressentiments), liegt ein Vorurteil vor. Vorurteile<br />
sind dementsprechend ein Subtyp von Stereotypen. Die von der Forschung<br />
beschriebenen, tradierten antijüdischen Stereotype sind (um einige der bekanntesten<br />
zu nennen): JUDEN ALS GOTTESMÖRDER, als RITUAL-<br />
MÖRDER, als KINDERSCHLÄCHTER, als FREMDE, als WUCHERER,<br />
als VERSCHWÖRER, als ZERSETZER VON GESELLSCHAFTEN, als<br />
INTELLEKTUELLE PARASITEN, als KAPITALISTEN bzw. BOLSCHE-<br />
WIKEN (vgl. Schoeps/Schlör 1999, Benz 2004, Bergmann 2002,<br />
Braun/Ziege 2004). Nach 1945 kommen die Stereotype HOLOCAUST-<br />
AUSBEUTER, NUTZNIESSER DER DEUTSCHEN SCHANDE, RACH-<br />
SÜCHTIGE MORALPREDIGER sowie MEINUNGSDIKTAT-ERPRES-<br />
SER hinzu (vgl. Schwarz-Friesel 2010). Wichtig ist eine Unterscheidung<br />
zwischen dem mentalen Stereotyp und der sprachlichen Kodierung des jeweiligen<br />
Stereotyps (mittels Lexem, Floskel, Phrase oder Satz). So kann das<br />
Stereotyp JUDEN SIND FREMDE explizit als Sie sind keine Deutsche, Frau