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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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Diskursive Produktion von Behinderungen 203<br />

Beide Bilder werden vor allem über mediale Darstellungen vermittelt. 3 Stereotypische<br />

Merkmale für ein Konzept körperbehinderter Menschen sind laut<br />

Elliot (1994, 75) Passivität, Frustration und Resignation. Geistig behinderte<br />

Menschen zeichnen sich dagegen eher durch ihre Naivität, Fröhlichkeit,<br />

Egoismus und die Eigenschaft, immer nur nehmen zu können, aber nie zu<br />

geben, aus. Nach Ansicht der Verfasserin sind die zentralen Aspekte eines<br />

allgemeinen Stereotyps des behinderten Menschen jedoch vor allem seine<br />

Unselbstständigkeit, seine Unmündigkeit, Asexualität und Mitleidbedürftigkeit.<br />

Veranschaulichen lässt sich dieses Bild an der Figur der Klara in Johanna<br />

Spyris „Heidi“. Aus Sichtweise der Disability Studies dienen Kunst und<br />

Literatur als Katalysatoren für derartige Stereotype, in ihnen dient Behinderung<br />

regelmäßig als Kontrastmittel, die „Normalität, von der sie abgespalten<br />

wird, sichtbar und begreifbar macht“ (Dederich 2004, 185). Betrachtet man<br />

die Figur von Kapitän Ahab (Beinamputierter) in „Moby Dick“ oder die<br />

Bösewichte Dr. No (Armamputierter) und Blofeld (Rollstuhlfahrer) aus „James<br />

Bond“, scheint der Neid auf die Nichtbehinderten und eine dadurch<br />

hervorgerufene Rachsucht zu heutigen stereotypischen Eigenschaften zu<br />

gehören.<br />

Auch idealisierende Stereotype reduzieren einen Menschen auf seine Behinderung.<br />

Ist ein behinderter Mensch in irgendeinem gesellschaftlichen oder<br />

kulturellen Aspekt wie Beruf, Sport oder Kunst erfolgreich, wird dieser Erfolg<br />

als eine Überwindung seiner Behinderung bewertet. Da der Erfolg nicht<br />

den Erwartungen der Gesellschaft entspricht, wird er in der Regel überbewertet,<br />

ohne dass beachtet wird, ob die Überwindung von Barrieren einfach<br />

zum Alltag eines behinderten Menschen gehört, wie z. B. das Schreiben mit<br />

den Füßen oder die technisch unterstützte Kommunikation und in welchen<br />

Fällen die Behinderung vielleicht zum Erreichen des Ziels überhaupt keine<br />

Rolle spielt, wie z. B. eine Sprachbehinderung auf den sportlichen Erfolg<br />

eines Marathonläufers keinen Einfluss haben wird. Erfolgreiche behinderte<br />

Menschen werden zu Helden stilisiert und als Vorbilder vorgeführt. Von der<br />

In-Group wird dieses Stereotyp mit der Bezeichnung supercrips oder Elitekrüppel<br />

ironisiert und in Frage gestellt.<br />

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass gesellschaftliche Vorstellungen<br />

darüber, wer behindert ist, relativ und von gesellschaftlichen Einstellungen<br />

sowie diagnostischen Zuschreibungen der Professionellen abhängig<br />

ist. Behinderung ist insofern ein diskursiv produzierter Begriff.<br />

3<br />

Vgl. die umfangreiche Materialsichtung von Maskos 2004: 29

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