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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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266 Doris Unger<br />

4. Der Wert der Meinungsfreiheit<br />

Individuelle Rechte bilden eines der wichtigsten Fundamente des liberaldemokratischen<br />

Staates. Aus klassisch liberaler Sicht markieren diese Rechte<br />

einen Bereich, in den die Staatsgewalt nicht – oder nur aus genau definierten<br />

Gründen – eingreifen darf. In dem Ausmaß, in dem einzelnen Personen<br />

Rechte zugeschrieben werden, ist der Staat somit beschränkt und verpflichtet,<br />

diese Rechte auch vor Verletzungen von Seiten der Mitbürger zu schützen.<br />

John Locke begründet die Errichtung eines Staates zum Beispiel durch<br />

seine Aufgabe, das Recht auf Eigentum (property) – hierunter zählt er die<br />

Rechte auf Leben, Freiheit und Privatbesitz (estate) – vor Eingriffen anderer<br />

Personen zu sichern. Da die Schutzfunktion des Staates gegenüber dem Individuum<br />

seine Legitimitätsgrundlage darstellt, verliert er folglich seine Legitimität,<br />

wenn er diese Aufgabe nicht erfüllt. Das ist nicht nur dann der Fall,<br />

wenn – wie Thomas Hobbes postuliert – die Staatsgewalt die Sicherheit im<br />

Staat nicht aufrechterhalten kann, sondern auch, wenn er die individuellen<br />

Rechte, zu deren Schutz er errichtet wurde, selbst verletzt (vgl. Locke 1960).<br />

Eine tyrannische Herrschaft soll deshalb durch Gewaltenteilung und -<br />

kontrolle einerseits und durch die Festschreibung von individuellen Rechten<br />

in positives Recht andererseits vermieden werden („Rechtsstaatlichkeit“).<br />

Die Einschränkung individueller Freiheitsrechte – zu denen die Rechte auf<br />

Gedanken- und Meinungsfreiheit zählen – wird vor dem Hintergrund dieser<br />

Tradition mit Misstrauen betrachtet: Immer dann, wenn dem Staat die Kompetenz<br />

zugesprochen wird, in individuelle Rechte einzugreifen, besteht die<br />

Gefahr, dass er diese Kompetenz ausnutzen und weitreichende Eingriffe in<br />

die Freiheit der Bürger vornehmen könnte.<br />

John Stuart Mill zufolge, geht in einer Demokratie nicht nur von der<br />

Staatsgewalt eine Gefahr für die Freiheit des Individuums aus, sondern sie<br />

wird außerdem durch die soziale Zensur der öffentlichen Meinung bedroht.<br />

In seinem 1859 veröffentlichten Essay On Liberty betont er, dass gerade eine<br />

demokratische Gesellschaft die Tendenz habe, ihre von einer Mehrheit gestützten<br />

Meinungen und Verhaltensregeln denen aufzudrängen, die von der<br />

Mehrheitsmeinung abweichen (tyranny of the prevailing opinion and feeling;<br />

Mill 1977, 220). 13<br />

13<br />

Hier wird offensichtlich, dass Mill sich mit Tocquevilles De la Démocratie en<br />

Amérique beschäftigt hatte (vgl. Kuenzle/Schefczyk 2009, 164).

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