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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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60 Karl Marker<br />

Minderheiten, zum Ausdruck bringen oder verbreiten will (vgl. Smits 2009,<br />

153f.). 1 Aus politikwissenschaftlicher Sicht ist dieses Phänomen von großem<br />

Interesse, und das gleich aus mehreren Gründen. Viele <strong>Hassrede</strong>n sind politische<br />

Akte, d. h. politisch motiviert und politisch wirksam 2 – letzteres zuwei-<br />

1<br />

2<br />

Der Vorteil einer solchen Definition, die auf die Intention des Sprechers abstellt<br />

und nicht etwa auf das Empfinden diskriminierter Dritter, besteht darin,<br />

„versehentliche“ <strong>Hassrede</strong> begrifflich auszuschließen. In dem hier vertretenen<br />

Sinn kann man also nur dann von „<strong>Hassrede</strong>“ sprechen, wenn vom jeweiligen<br />

Sprecher auch wirklich Hass empfunden wird bzw. transportiert oder bei Dritten<br />

erzeugt werden soll. Dies erscheint plausibel, da „Hass“ Bewusstheit impliziert:<br />

Man kann m. E. nicht sinnvoll davon sprechen, dass Person A eine Person B<br />

hasst, ohne sich dessen bewusst zu sein. Der Nachteil einer solchen Definition<br />

besteht darin, niemals sicher wissen zu können, wann eine Äußerung „<strong>Hassrede</strong>“<br />

darstellt (d. h. als solche gemeint ist), da man hierzu strenggenommen die<br />

Intentionen und Gefühle des jeweiligen Sprechers kennen müsste. Der hier<br />

verwendete Begriff ist aus gutem Grund wesentlich enger gefasst als in der<br />

Mehrheit der einschlägigen Literatur: Zum einen kann hasserfülltes Sprechen<br />

spezifische, ggf. sogar ganz andere Ursachen und Wirkungen haben als „einfaches“<br />

Beleidigen, Beschimpfen, Diffamieren, Demütigen, Verleumden, Verunglimpfen,<br />

Verhöhnen, Verspotten, Verlachen usw., so dass es sinnvoll erscheint,<br />

den Begriff der <strong>Hassrede</strong> nicht so weit auszudehnen, dass allgemeine Aussagen<br />

über seine gesamte Extension kaum möglich sind. Zum anderen mag es auch<br />

besondere Gründe für ein Verbot von hasserfüllter Rede geben – Gründe, die<br />

nicht zwingend auch ein Verbot von anderen sozial oder politisch unerwünschten<br />

Redeweisen rechtfertigen würden (vgl. Parekh 2006, 214). Neben sprachlichem<br />

wird oft auch der symbolische (z. B. bildliche) Ausdruck von Hass unter „<strong>Hassrede</strong>“<br />

subsumiert, was grundsätzlich plausibel ist (obwohl der Terminus „<strong>Hassrede</strong>“<br />

im Deutschen dann unweigerlich Verwirrung stiftet, weil etwa ein Bild im<br />

<strong>Allgemeine</strong>n nicht als „Rede“ aufgefasst wird). Für die Zwecke dieses Beitrags<br />

genügt jedoch die Betrachtung bestimmter Sprechakte, da lediglich ein besonders<br />

drastisches Beispiel für <strong>Hassrede</strong> benötigt wird. Die Argumentation ist aber auch<br />

auf andere Formen von <strong>Hassrede</strong> übertragbar. Für die weiteren Ausführungen<br />

bietet es sich an, folgende Terminologie einzuführen: „<strong>Hassrede</strong>“ (Singular) ist<br />

stets im generischen Sinn zu verstehen, meint also eine bestimmte Kategorie von<br />

Sprechakten. Wenn dagegen von „<strong>Hassrede</strong>n“ (Plural) gesprochen wird, so ist<br />

jeweils eine unbestimmte Anzahl konkreter Sprechakte gemeint, d. h. einzelne<br />

Fälle von <strong>Hassrede</strong>.<br />

Würde man den (aus guten Gründen höchst strittigen) Politikbegriff Carl<br />

Schmitts zugrunde legen, wären alle <strong>Hassrede</strong>n politisch, da sie stets als<br />

Ausdruck und Folge einer (pathologischen) Freund-Feind-Unterscheidung interpretiert<br />

werden können (siehe Schmitt 1996 [1927]). Stattdessen teile ich den<br />

Politikbegriff von Max Weber: „Politisch“ ist, was die Machtverteilung zwischen<br />

Staaten oder innerstaatlichen Gruppen beeinflussen soll oder faktisch beeinflusst<br />

(vgl. Weber 2004 [1919], 7).

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