Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
190 Jürgen Sirsch<br />
stellungen stark verbreitet sind und Diskriminierung allgegenwärtig ist,<br />
dürften diejenigen Personen, die den diskriminierten Gruppen zugeordnet<br />
werden, über die geringsten Teilhabechancen verfügen.<br />
12. Fazit<br />
Die Diskussion um die Regulierung von <strong>Hassrede</strong> stellt insbesondere für<br />
liberale Theoretiker eine Herausforderung dar, weil auf liberaler Basis sowohl<br />
Argumente, die für eine Regulierung sprechen, als auch Argumente, die<br />
dagegen sprechen, angeführt werden können. Die Diskussion von Rawls’<br />
Theorie ermöglichte es zu untersuchen, auf welche Weise liberale Demokraten<br />
mit <strong>Hassrede</strong> umgehen sollten.<br />
Hierfür wurde zunächst gezeigt, dass inhaltlich basierte Verbote von <strong>Hassrede</strong><br />
mit den Prämissen liberaler Demokratien prinzipiell vereinbar sind. In<br />
einem zweiten Schritt wurde gefragt, unter welchen Bedingungen Opfer von<br />
<strong>Hassrede</strong> einen gerechtfertigten Anspruch auf ein solches Verbot haben.<br />
Hierbei stellte sich heraus, dass diese Frage vom Zustand abhängt, in dem<br />
sich eine Gesellschaft befindet. Wenn die liberale Ordnung durch nichtliberale<br />
politische Propaganda bedroht ist, dann sollten liberale Gemeinwesen<br />
in der Lage sein, diese durch das Verbot solcher Propaganda zu bekämpfen.<br />
Auch für Gesellschaften, in denen bspw. rassistische Einstellungen weit<br />
verbreitet sind, könnte ein solches Verbot begründet werden.<br />
Die Analyse der Begründbarkeit von Einschränkungen von <strong>Hassrede</strong> aus<br />
der Perspektive von JaF unter günstigeren gesellschaftlichen Bedingungen<br />
ergab, dass Einschränkungen der Redefreiheit in bestimmten Bereichen zulässig<br />
sind, wenn dadurch ein adäquater Bestand der politischen sowie der<br />
Grundfreiheiten insgesamt nicht gefährdet wird und andere gerechtigkeitstheoretische<br />
Gründe hierfür angeführt werden können. Die Einschränkungen<br />
sind kompatibel mit einem adäquaten System gleicher Grundfreiheiten, wenn<br />
für Vertreter aller politischen Lehren faire Chancen ihrer Artikulation bestehen<br />
(gleiches gilt für die Vertreter moralischer Vorstellungen). Eine Einschränkung<br />
von <strong>Hassrede</strong> am Arbeitsplatz und möglicherweise in Bildungseinrichtungen<br />
aus Gründen der fairen Chancengleichheit ist hiermit vereinbar<br />
und aus dieser gerechtigkeitstheoretischen Perspektive geboten.<br />
An all diese Überlegungen schließt die Frage an, wie die entsprechenden<br />
gesellschaftlichen Kontexte – die hier als Bedingungen für die Anwendbarkeit<br />
bestimmter Begründungsstrategien genannt wurden – empirisch präziser<br />
identifiziert werden könnten. Hierfür müssten auf der Basis von Rawls’<br />
Theorie Indikatoren entwickelt werden, anhand derer entschieden werden