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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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66 Karl Marker<br />

und Weise zu reagieren; dementsprechend gibt es sehr wohl typische, aber<br />

keine unbedingt notwendigen Reaktionen auf Wut oder Angst (vgl. Elster<br />

2007, 145-161; Petersen 2002, 17-84; Frijda 1986, 69-94). Aggression und<br />

Isolation schließen sich als Folge von <strong>Hassrede</strong> nicht etwa gegenseitig aus,<br />

sondern können durchaus zusammen auftreten. Ein Teil der betroffenen<br />

Gruppe könnte etwa mit Gewalt, ein anderer mit angstvollem Rückzug reagieren.<br />

Gleiches gilt für unbeteiligte Dritte, die nicht zu den Betroffenen<br />

gehören, jedoch mit diesen mitfühlen. Allerdings kann sich die Aggression<br />

Dritter auch gegen die Betroffenen richten – nämlich etwa dann, wenn eine<br />

rassistische Hetzkampagne als solche erfolgreich war.<br />

Beide Entwicklungen – Aggression und Isolation – wären sowohl normativ<br />

problematisch, da sie fundamentale Bürgerrechte verletzen bzw. deren<br />

Ausübung verhindern, als auch in praktischer Hinsicht demokratiegefährdend,<br />

denn in entsprechenden Ausmaßen könnten sie den demokratischen<br />

Rechtsstaat nachhaltig destabilisieren. Zumindest staatliche Akteure dürften<br />

dieses Risiko wahrnehmen. Damit stellt sich die Frage, welche Arten von<br />

Maßnahmen sie gegen <strong>Hassrede</strong> ergreifen können, um dieses Risiko zu verringern.<br />

Zum einen könnten sie eine eher indirekte Strategie wählen und die Kräfte<br />

der Zivilgesellschaft mobilisieren. Anstatt selbst hoheitlich tätig zu werden,<br />

könnte der Staat z. B. Minoritätenverbände, die als typische Zielgruppe rassistischer<br />

Übergriffe bereits von sich aus ein starkes Interesse an der Bekämpfung<br />

von <strong>Hassrede</strong> haben, finanziell unterstützen, damit sie sich wirkungsvolle<br />

Aufklärungskampagnen leisten können. 12 Außerdem könnte der Staat<br />

zusätzliche Anreize schaffen, um auch andere Akteure zur Bekämpfung von<br />

<strong>Hassrede</strong> zu motivieren, z. B. Bürger, die sich mit Zivilcourage gegen <strong>Hassrede</strong><br />

eingesetzt haben, mit offiziellen Ehrungen auszeichnen. Diese Strategie<br />

12<br />

Die berechtigte Frage, weshalb solche Verbände überhaupt die Verantwortung für<br />

Aufklärung tragen sollten, da dies in einer liberalen Demokratie doch eher in den<br />

Zuständigkeitsbereich des Staates falle bzw. fallen müsse, lässt sich mit der<br />

Vermutung beantworten, dass intermediäre Institutionen „näher am Bürger“ sind,<br />

so dass Botschaften über die Verwerflichkeit von <strong>Hassrede</strong> und diesbezügliche<br />

moralische Appelle möglicherweise auf stärkere Resonanz treffen – eher Gehör<br />

finden, als glaubwürdiger gelten oder betroffener machen –, wenn sie aus<br />

„Opferperspektive“ (und nicht von Behörden) geäußert werden. Jedenfalls kann<br />

man staatlichen Akteuren, die eine solche Erwägung anstellen, nicht unbedingt<br />

den Vorwurf machen, sich aus der Verantwortung zu stehlen, zumal sie die<br />

Gewährung von Geldern auch an bestimmte Bedingungen knüpfen könnten. Ob<br />

die Übertragung von Staatsaufgaben grundsätzlich gerechtfertigt ist, wenn es<br />

sicher oder wahrscheinlich ist, dass Verbände sie besser erfüllen könnten als der<br />

Staat, ist Gegenstand einer anderen Debatte, die hier nicht geführt werden kann.

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