Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
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Know Your Enemy 69<br />
Gruppen besonders aktiv waren. 1934 verabschiedete das Parlament von<br />
New Jersey als Reaktion auf die Ausschreitungen ein sog. „Race <strong>Hate</strong> Law“,<br />
das die Verbreitung von<br />
propaganda or statements creating or tending to create prejudice, hostility,<br />
hatred, ridicule, disgrace or contempt of people […] by reason of their race,<br />
color or creed or manner of worship (zit. nach Walker 1994, 55)<br />
unter Strafe stellte. Obwohl dieses Gesetz nur ein einziges Mal zur Anwendung<br />
kommen sollte (und zwar ironischerweise nicht etwa gegen Nationalsozialisten,<br />
sondern gegen die Zeugen Jehovas) und bereits 1940 vom New<br />
Jersey Supreme Court in der sog. „Klapprott“-Entscheidung wieder aufgehoben<br />
wurde – mit der Begründung, es verstoße sowohl gegen die Verfassung<br />
von New Jersey als auch gegen die der Vereinigten Staaten –, löste es die<br />
höchst folgenreiche ACLU-Loewenstein-Kontroverse aus (vgl. ebd., 52-61;<br />
Hildebrandt 2005, 415 f.).<br />
Die American Civil Liberties Union (ACLU), eine radikal liberale 16 Bürgerrechtsorganisation<br />
(und als solche nach wie vor eine der prominentesten<br />
der USA), zeigte sich empört über die Beschneidung der Meinungsfreiheit<br />
durch das Race <strong>Hate</strong> Law. Sie veröffentliche noch im selben Jahr eine politische<br />
Streitschrift mit dem Titel „Shall We Defend Free <strong>Speech</strong> for Nazis in<br />
America?“, in der sie diese Frage uneingeschränkt mit „Ja“ beantwortete. Bis<br />
heute plädiert die ACLU immer wieder äußerst energisch für eine absolute<br />
Geltung des First Amendment und verweist dazu stets auf die fatalen Folgen,<br />
die einer Demokratie durch jedwede Beschränkung der Meinungsfreiheit<br />
entstünden. Um ihre entschiedene Ablehnung einer Kriminalisierung von<br />
<strong>Hassrede</strong> zu begründen, legte die ACLU zwei zentrale Argumente vor, auf<br />
die sie sich in ihrer kurzen Schrift konzentrierte. Das erste ist ein klassisches<br />
„Schwellen-“ oder „Dammbruchargument“, 17 weist also auf ein Abgrenzungsproblem<br />
hin:<br />
To those who advocate suppressing propaganda they hate, we ask – where do<br />
you draw the line? They can answer only in the terms of revolutionists – at<br />
our political enemies. But experience shows that ,political enemies‘ is a broad<br />
term, and […] that there is no general agreement on what constitutes race or<br />
religious prejudice. (ACLU 1934, 3)<br />
16<br />
17<br />
„Radikal“ deshalb, weil sie (bis heute) bei nahezu allen gesellschaftlich<br />
relevanten Fragen regelmäßig für eine kompromisslose Durchsetzung liberaler<br />
Prinzipien eintritt.<br />
Hildebrandt (2005, 416) bezeichnet es fälschlicherweise als „Slippery Slope“-<br />
Argument.