Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
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224 Björn Technau<br />
relle Veränderungen durch linguistische initiieren zu wollen. Doch welche<br />
Folgen hat das Aufstellen linguistischer Tabus tatsächlich? Inwiefern beeinflusst<br />
es unser Sprachverhalten? Dass die Forderung nach einer sprachlichen<br />
Zensur nicht ohne Gegenbewegung bleibt, mag wenig verwundern. Vor allem<br />
in den USA berufen sich Kritiker häufig auf die im „First Amendment“<br />
geregelte Redefreiheit, die sie durch Political Correctness eingeschränkt<br />
sehen. Hornsby (2003) warnt vor dieser egozentrischen Haltung. Sie verweist<br />
darauf, dass eine Rechtfertigung der Redefreiheit neben lokutionären Akten<br />
auch illokutionäre Akte in Betracht ziehen muss. Ihr zufolge übersehen Kritiker<br />
die Reziprozität von Rede und das Vorliegen einer Asymmetrie zwischen<br />
Sprecher und Hörer. Der Hörer hat demnach keine Chance, sich dem<br />
verletzenden Effekt der Rede zu entziehen, und meist kann er auch nicht mit<br />
denselben Waffen zurückzuschlagen:<br />
[T]here are terms commonly understood as contemptuous towards blacks but<br />
not whites, so it is for women vs. men, gay people vs. straight people, nationals<br />
vs. non-nationals. In all of these cases, there is vocabulary which enables a<br />
member of the second group to vilify a member of the first, and not conversely.<br />
(Hornsby 2003, 6)<br />
Für Hayn (2010) entziehen sich die Gegner von Sprachreformen mit dem<br />
Verweis auf die Redefreiheit lediglich der eigenen Verantwortung für ihr<br />
Sprachhandeln. Sprachinterventionen hält sie für ein wichtiges Instrument<br />
der Antidiskriminierungsarbeit.<br />
Der Gebrauch von Sprache bleibt von der kontrovers diskutierten PC-<br />
Bewegung nicht unberührt, und zwar auf in Abhängigkeit von der Diskursebene<br />
ganz unterschiedliche Weise: Regierungssprecher werden beispielsweise<br />
die von der PC-Bewegung als diskriminierend herausgestellten Wörter aus<br />
ihren öffentlichen Reden streichen. In alternativen sozialen Kontexten dagegen,<br />
in denen es eher informell zugeht, können diese Wörter nicht nur überleben,<br />
sondern aufgrund ihrer offiziellen Tabuisierung verstärkt Verwendung<br />
finden, z. B. um damit humoristische Effekte zu erzielen. Die Sprecher bauen<br />
dann gerade auf die Arbeit der PC-Verfechter, ohne die ein Erkennen ihrer<br />
tatsächlichen, nämlich humoristischen Absichten nicht möglich wäre. Sie<br />
bedienen sich dabei typischer Elemente der Scherzkommunikation: der<br />
Übertreibung, des Tabubruchs, des Spiels mit verschiedenen Bedeutungsebenen.<br />
Es wird damit deutlich, dass die PC-Bewegung sprachlich weniger<br />
dort wirkt, wo es brennt, nämlich im Rahmen tatsächlicher Diskriminierung.<br />
Ihr Einfluss auf Sprache wird eher dort spürbar, wo es gar keine entsprechenden<br />
Probleme gibt. Dennoch darf die Bedeutung der politisch korrekten<br />
Sprachsteuerung nicht unterschätzt werden: Sie identifiziert potentielle Gefahren<br />
und kann somit präventiv wirken; sie ruft zu einem sensiblen Umgang<br />
mit Sprache und zu Respekt vor menschlichen Befindlichkeiten auf. Die