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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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62 Karl Marker<br />

6<br />

Das aus politikwissenschaftlicher Sicht interessanteste Problem scheint jedoch<br />

die Frage zu sein, ob und mit welchen Mitteln ein liberaldemokratischer<br />

Rechtsstaat bestimmte Formen der <strong>Hassrede</strong> unterbinden sollte – vor allem<br />

dann, wenn demokratiefeindliche Gruppen sich der <strong>Hassrede</strong> als Mittel im<br />

Kampf gegen die demokratische Ordnung bedienen. Wenn politische Extremisten<br />

oder religiöse Fanatiker die Errichtung einer totalitären Diktatur oder<br />

die Auslöschung bestimmter Personen propagieren, wenn Naziparteien die<br />

Meinungsfreiheit systematisch missbrauchen, um unter ihrem Schutz ungestört<br />

rassistischen Hass verbreiten zu können, sollte man ihnen dieses Recht<br />

dann nicht verwehren und solche Reden verbieten?<br />

Zur Behandlung dieser Frage konzentriere ich mich im Folgenden exemplarisch<br />

auf einen Typus von <strong>Hassrede</strong>, der mit liberaldemokratischen Wertvorstellungen<br />

eindeutig unvereinbar ist 6 und über besonders große Reichweite<br />

verfügt: auf rassistische <strong>Hassrede</strong> im öffentlichen Raum.<br />

Zum einen möchte ich zeigen, dass sowohl die Duldung rassistischer<br />

<strong>Hassrede</strong> als auch ihre rechtlich erzwungene Unterdrückung negative Folgen<br />

für den demokratischen Staat haben kann. Sowohl für als auch gegen ihr<br />

Verbot lassen sich ernstzunehmende Bedenken anführen – nicht nur aus<br />

moralischen, sondern auch und gerade aus praktischen Gründen, auf die sich<br />

dieser Beitrag beschränken wird.<br />

Zum anderen möchte ich insbesondere auf die „Signalfunktion“ von <strong>Hassrede</strong><br />

aufmerksam machen, die in der Diskussion auffallend selten thematisiert<br />

wird, obwohl es für eine wohlüberlegte Entscheidung über ein Verbot<br />

von <strong>Hassrede</strong> unerlässlich ist, dieses Argument zu kennen. Dazu gehe ich<br />

folgendermaßen vor:<br />

Zunächst gilt es zu zeigen, dass <strong>Hassrede</strong> in und für Demokratien bestimmter<br />

Prägung höchst negative Folgen haben kann, dass staatliche Akteure<br />

sich aus diesem Grund dazu gezwungen oder verpflichtet sehen könnten,<br />

Maßnahmen zur Bekämpfung von <strong>Hassrede</strong> zu ergreifen, und dass ihnen<br />

hierzu durchaus verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung stehen<br />

(Abschnitt 1). Anschließend sollen anhand einer historischen Kontroverse<br />

zwischen der „American Civil Liberties Union“ (ACLU) und dem Politikwissenschaftler<br />

Karl Loewenstein einige klassische Pro- und Contra-Arguvölkerung<br />

beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“ (§ 55 II 8b<br />

AufenthG).<br />

Es mag nämlich Formen von <strong>Hassrede</strong> geben, bei denen sich das Problem erst gar<br />

nicht stellt, die also nicht unbedingt demokratiegefährdend sind, z. B. ausschließlich<br />

gegen „hassenswerte“ Gruppen (wie Nazis) gerichtete <strong>Hassrede</strong>n<br />

erboster Demokraten. Zur Idee demokratisch „legitimer“ Hassgefühle siehe etwa<br />

Post 2009, 123f.

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