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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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Sprachreflexion über politisch inkorrekte Wörter 235<br />

angegangener Sturz scheint die Verwendung des Wortes in dieser Situation<br />

als Affekthandlung ausgelöst zu haben – zumindest lässt Michaels Bericht<br />

diese Vermutung zu: „auf die schnauze=gegangen=un=ich=so: boah, nigger“<br />

(20). Wenn wir dieser Erklärung Glauben schenken wollen, zeichnet sich<br />

hier eine Generalisierung des Wortes ab, da es dem Sprecher in der besagten<br />

Situation angeblich nicht um die Beleidigung einer schwarzen Person, sondern<br />

um den Ausdruck allgemeinen Missmuts ging. Gerade im sportlichen<br />

Kontext könnte es aber auch sein, dass hier eine Bewunderung für die<br />

schwarzen Mitspieler zum Ausdruck kommt. Eine solche Assoziation zwischen<br />

schwarzen Sportlern und herausragenden Leistungen wäre zumindest<br />

nicht ungewöhnlich. Im Fall Dambrot v. Central Michigan University (1993)<br />

ging es um den Basketballtrainer Keith Dambrot, der das aus schwarzen und<br />

weißen Spielern bestehende Basketballteam der Universität während der<br />

Halbzeit eines Spiels mit der Verwendung des N-Wortes zu motivieren versuchte.<br />

Nachdem er sich dafür das Einverständnis der Spieler eingeholt hatte,<br />

bezeichnete er die besonders guten unter ihnen als nigger, unabhängig von<br />

deren tatsächlicher Hautfarbe: „The niggers were the players who were doing<br />

their jobs well. The half-niggers or non-niggers were the ones who needed to<br />

work harder“ (Kelly 1999, 92). Dambrot erklärte seine Verwendung des<br />

Tabuwortes wie folgt: „I used the term in the sense in which it is used by my<br />

African-American players […] to connote a person who is fearless, mentally<br />

strong, and tough” (Kelly 1999, 92). Michael räumt ein, sonst „eigentlich<br />

nie“ (29) das N-Wort zu benutzen. Dass er es in dieser Situation dennoch<br />

getan hat, wird mit der Anwesenheit schwarzer Personen in einem Zusammenhang<br />

stehen. Vermutlich ging es ihm, bewusst oder unbewusst, um eine<br />

Kombination aus Benennung und Gefühlsausdruck, um eine Kombination,<br />

die viele Situationen prägt, in denen diskriminierende Sprache verwendet<br />

wird. Im vorliegenden Beispiel würde der Sprecher also das N-Wort benutzen,<br />

um eine schwarze Person zu adressieren und um seinen allgemeinen<br />

Missmut oder seine Bewunderung zum Ausdruck zu bringen. Nach Kaplan<br />

(2004), der die Regeln des Gebrauchs für konventionell hält und der Semantik<br />

zuschreibt, könnte man Michael damit einen linguistischen Fehler unterstellen.<br />

Kaplan fragt in Analogie zu den Wahrheitsbedingungen nach den<br />

Bedingungen, unter denen ein Ausdruck korrekt gebraucht wird. Er unterscheidet<br />

zwischen deskriptiven Ausdrücken, die etwas beschreiben, und<br />

expressiven Ausdrücken, die etwas anzeigen. Beide Arten von Ausdrücken<br />

können hinsichtlich ihrer Gültigkeit bewertet werden, sind also deskriptiv<br />

korrekt, wenn das Beschriebene der Fall ist, und expressiv korrekt, wenn das<br />

Angezeigte der Fall ist. Sollte Michael also tatsächlich keine abfällige Einstellung<br />

gegenüber seinem schwarzen Mitspieler angezeigt haben wollen, so<br />

könnte man seine Verwendung des N-Wortes als expressiv unwahr fassen.

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