Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
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Know Your Enemy 75<br />
Volksgruppen gerichtete <strong>Hassrede</strong>, ist zwischen den Zeilen deutlich herauszulesen,<br />
dass er auch in dieser konkrete Gefahren erkennt. An anderer Stelle<br />
erklärt er, dass der Kern der faschistischen Strategie in der emotionalen Aufstachelung<br />
der Massen besteht (vgl. Loewenstein 1937a, 423-426). Hass und<br />
Angst zu verbreiten erleichtert der faschistischen Bewegung die Machtübernahme<br />
deshalb, weil dadurch – wie bereits in Abschnitt 1 angesprochen –<br />
zum einen potentieller Widerstand unterdrückt und zum anderen soziale<br />
Unruhen provoziert werden können, bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen.<br />
Die in <strong>Hassrede</strong>n bezeugte Kampfbereitschaft und Kompromisslosigkeit<br />
gegenüber allen, die den Faschisten bei ihrem Ziel, sich der Regierung<br />
zu bemächtigen, im Weg stehen, kann Teile der Bevölkerung, insbesondere<br />
die unmittelbar Betroffenen, einschüchtern oder aggressiv machen.<br />
Komme es infolgedessen zu ersten Zusammenbrüchen der öffentlichen Ordnung,<br />
so sei mit dem baldigen Untergang des demokratischen Staates zu<br />
rechnen.<br />
Die Überlegungen Loewensteins lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />
Prävention muss im Interesse des langfristigen Überlebens einer Demokratie<br />
stets so früh wie möglich beginnen. Alle Maßnahmen, die dazu geeignet<br />
sind, eine Usurpation des demokratischen Staates durch faschistische Gruppierungen<br />
bereits im Keim zu ersticken, sollten deshalb rechtzeitig und mit<br />
aller Konsequenz getroffen werden 25 – und daraus ergibt sich die Notwendigkeit<br />
eines Verbots auch und gerade von rassistischer <strong>Hassrede</strong>.<br />
3. Die Funktionalität rassistischer <strong>Hassrede</strong><br />
Ist Loewenstein grundsätzlich rechtzugeben, wenn er die radikal tolerante<br />
Haltung der ACLU als verfehlt ansieht? Eine kritische Revision ihrer Argumente<br />
legt diesen Schluss zunächst nahe.<br />
Ein „unvermeidlicher“ Märtyrereffekt, ausgelöst allein durch ein Verbot<br />
bestimmter Äußerungen, der dazu führen soll, dass vormals indifferente Personen<br />
nun in großer Zahl ihre politischen Einstellungen radikal verändern,<br />
der also Nichtrassisten plötzlich zu Rassisten macht, erscheint mehr als unwahrscheinlich.<br />
Ob ein solcher Effekt tatsächlich existiert und unter welchen<br />
Bedingungen er mit welcher Stärke zu erwarten wäre, bleibt zwar letztlich<br />
eine empirische Frage, die dementsprechend auch nur mit empirischen Methoden<br />
adäquat beantwortet werden kann. Aber es bedarf schon sehr großer<br />
25<br />
Vgl. auch Loewenstein 1946, 126-129.