Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
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68 Karl Marker<br />
Da jedoch ein strafrechtliches Verbot von <strong>Hassrede</strong> die mit Abstand<br />
„schärfste“ Waffe eines liberaldemokratischen Staates darstellt, gibt es hier<br />
auch den größten Rechtfertigungsbedarf. Zudem dreht sich sowohl die akademische<br />
als auch die politische „<strong>Hate</strong> <strong>Speech</strong>“-Debatte im Kern um die<br />
Verbotsfrage und die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Regulierung.<br />
Darum wird im weiteren Verlauf ausschließlich diese („echte“) Form von<br />
Zensur betrachtet. Auch die im folgenden Abschnitt geschilderte Kontroverse<br />
entzündete sich an einem entsprechenden Verbotsgesetz.<br />
2. Free <strong>Speech</strong> for Nazis? Die Kontroverse zwischen<br />
der American Civil Liberties Union (ACLU) und<br />
Karl Loewenstein<br />
Die Diskussion um ein sanktionsbewehrtes Verbot von <strong>Hassrede</strong> ist keineswegs<br />
neu. Bereits in den 1930er Jahren fand in den USA eine heftige Kontroverse<br />
statt, bei der vor allem um die mutmaßlichen Negativfolgen einer<br />
derartigen Zensur bzw. ihrer Unterlassung für das Funktionieren und die<br />
Stabilität des demokratischen Systems gestritten wurde. Bemerkenswert ist,<br />
dass die dabei ausgetauschten Argumente die Diskussion über den „richtigen“<br />
Umgang des Staates mit <strong>Hassrede</strong> bis heute entscheidend prägen. Zu<br />
Beginn soll kurz der Entstehungszusammenhang der Kontroverse geschildert<br />
werden, um deutlich zu machen, vor welchem historischen Hintergrund diese<br />
Argumente ursprünglich formuliert worden waren.<br />
Im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland sah<br />
sich auch die amerikanische Gesellschaft plötzlich mit einer massiven Ausbreitung<br />
faschistischer Bewegungen konfrontiert, die sich zum Teil offen mit<br />
dem Dritten Reich solidarisierten. Gruppierungen wie die „Silver Shirts“, die<br />
„White Shirts“, die „Khaki Shirts“ oder die „Friends of New Germany“,<br />
Vorläuferorganisation des späteren „German-American Bund“, marschierten<br />
immer häufiger in paramilitärischer Manier, teilweise uniformiert und bewaffnet,<br />
durch die Straßen großer Städte, wobei sie rassistische und antisemitische<br />
Parolen verlauten ließen. Die starke Präsenz dieser Nazi-Gruppen<br />
im öffentlichen Raum provozierte wiederum zahlreiche Gegendemonstrationen,<br />
was bald regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führte. Da<br />
die Situation zu eskalieren drohte, sahen sich mehrere Bundesstaaten der<br />
USA zum Handeln gezwungen, unter anderem New Jersey, wo die Nazigerade<br />
bei einem hochgradig vagen Tatbestandsmerkmal wie „Hass“ mit wahren<br />
Klagefluten zu rechnen sei (vgl. Hildebrandt 2005, 467).