Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
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Sprachreflexion über politisch inkorrekte Wörter 227<br />
Die Wissenschaftlerin veranschaulicht dies am zunehmenden Gebrauch obszöner<br />
Wörter in den amerikanischen Medien und der Öffentlichkeit. Innerhalb<br />
sehr kurzer Zeit sei es möglich geworden, diese Wörter in einer ganzen<br />
Reihe von Kontexten zu benutzen. Hauptsächlich wird ein Tabu durch die<br />
soziale Situation und die jeweilige Sprachgemeinschaft definiert. Bei der<br />
Betrachtung der Sprachgemeinschaft ist die Unterscheidung zwischen Makro-<br />
und Mikroebene zentral, da deren jeweiligen Tabudefinitionen stark<br />
voneinander abweichen können. Auf der Mikroebene ist die Sprachgemeinschaft<br />
jene Personengruppe, deren Mitglieder sich miteinander identifizieren<br />
und als eine Gruppe verstehen. Zu den sie verbindenden Parametern können<br />
Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Bildung, Sexualität und Ähnliches<br />
zählen. Interessant ist die Beobachtung, dass einige Gruppen ihre Gemeinschaft<br />
durch Sprache nach außen abgrenzen, dass sie Regeln haben, wer<br />
bestimmte Wörter in welcher Gruppe gebrauchen darf. Ein prominentes Beispiel<br />
machen jene schwarzen Amerikaner aus, die sich untereinander zwar<br />
mit nigger anreden, diesen <strong>Hate</strong> <strong>Speech</strong>-Ausdruck außerhalb ihrer Gemeinschaft<br />
jedoch nicht akzeptieren. Hier ergeben sich also zwei unterschiedliche<br />
Verwendungsweisen auf Makro- und Mikroebene, von denen die eine goutiert,<br />
die andere strikt abgelehnt wird.<br />
What many gays and lesbians have done with “queer” and “dyke” is what<br />
many African Americans have done with nigger – transformed it from a sign<br />
of shame to be avoided if possible into a sign of pride to be worn assertively.<br />
(Kennedy 1999, 90)<br />
PC-Verfechter haben es angesichts solcher Beispiele schwer, kontextübergreifende<br />
Sprachempfehlungen zu formulieren. Andrews (1996, 398) spricht<br />
gar von einer Bedeutungsverschiebung, die durch die Beziehung der Gesprächspartner<br />
bestimmt wird: “The focal point is that the SHIFT in meaning<br />
is determined directly by the speaker/addressee relationship.“ Die Wissenschaftlerin<br />
sieht hier offensichtlich einen direkten Einfluss der Sprechereinstellung<br />
auf die Semantik des Wortes und konkludiert:<br />
This case requires a notion of language that accounts for the potential shifting<br />
in reference depending upon the actors in the speech situation. (Andrews<br />
1996, 398)<br />
Ihr Verweis auf die Referenz mag irreführend sein. Der Referent bleibt in<br />
beiden Fällen eine schwarze Person, auf Mikro- und auf Makroebene, unabhängig<br />
davon, ob das Wort pejorativ oder nicht-pejorativ gebraucht wird. Es<br />
ist der wertende Bedeutungsteil des Wortes, der sich u. a. in Abhängigkeit<br />
von Sprechereinstellung und Sprachgemeinschaft verändern kann, der von<br />
semantischen und pragmatischen Komponenten abhängt, die sich gegenseitig<br />
beeinflussen und gleichermaßen berücksichtigt werden müssen, wenn es