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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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184 Jürgen Sirsch<br />

niert, dass die Bürger zum größten Teil die Grundwerte liberaler Demokratie<br />

anerkennen (Rawls 2001, 8-9). Somit ist unter diesen empirischen Bedingungen<br />

das Argument aus Sicht der Rawls’schen Theorie nicht verwendbar.<br />

Eine alternative Begründung desselben Typs ist die Behauptung einer<br />

Kollision zwischen der Redefreiheit und der Freiheit der Person, wenn ein<br />

direkter und starker Zusammenhang von <strong>Hassrede</strong> mit Gewalttaten besteht.<br />

Dies gilt jedoch nur für bestimmte Situationen, in denen mehrere notwendige<br />

Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein spezifischer Sprechakt als Auslöser<br />

von Gewalttaten identifiziert werden kann. Das wäre beispielsweise der<br />

Fall, wenn ein wütender Mob zu Angriffen auf Personen angestachelt wird<br />

(Rawls 2005, 336; Freeman 2007, 70). Auf der Grundlage dieses Arguments<br />

können jedoch keine generellen Beschränkungen bestimmter Inhalte begründet<br />

werden: In einer halbwegs wohlgeordneten Gesellschaft ist es ausgeschlossen,<br />

dass Äußerungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu Gewalt<br />

führen, da in einer solchen Gesellschaft liberale politische Prinzipien weithin<br />

anerkannt sind (Rawls 2001, 8-9).<br />

Unter halbwegs idealen Bedingungen ist somit die erste der beiden theoretisch<br />

möglichen Begründungsstrategien – zur Begründung einer Einschränkung<br />

von Redefreiheit in ihrem zentralen Anwendungsbereich –<br />

grundsätzlich ausgeschlossen. Dies hängt mit Rawls Unterscheidung zwischen<br />

dem Umfang einer Freiheit und deren Wert zusammen: Unter diesen<br />

empirischen Bedingungen wird der Wert der Freiheit nicht so stark eingeschränkt,<br />

dass die Priorität des Umfangs der Redefreiheit in ihrem zentralen<br />

Anwendungsbereich aufgehoben wird.<br />

9. Unterminierung des fairen Werts der politischen Freiheit<br />

durch <strong>Hassrede</strong> (Fall 1b)<br />

Wie bereits oben gesagt, können Argumente, die einen Konflikt mit anderen<br />

Grundfreiheiten anführen, nicht überzeugen, da die Einschränkung des Wertes<br />

einer Grundfreiheit unter halbwegs guten Bedingungen hierfür nicht groß<br />

genug ist. Eine Ausnahme ist jedoch der Wert der politischen Freiheit, der<br />

bei Rawls aus gutem Grund eine besondere Rolle spielt (siehe Rawls 2001,<br />

150). Dementsprechend ist ein weiteres, in der Literatur verbreitetes Argument,<br />

dass die Möglichkeiten zur Teilnahme an politischen Aktivitäten von<br />

Opfern von <strong>Hassrede</strong> durch <strong>Hassrede</strong> verringert werden (Cohen 1993, 216).<br />

Tsesis (2009, 499) behauptet, dass <strong>Hassrede</strong> die Teilhabechancen am politischen<br />

Diskurs vermindert, da sich die Opfer von <strong>Hassrede</strong> bedroht fühlen<br />

und aus dem politischen Raum zurückziehen. Langton (1993) verwendet eine

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