Abhandlungen zur römischen Religion - Bibliothèques de l ...

Ara Pacis
haben. Das Madchen des Reliefs scheint eme altere Schwester,
die in der Geschichte nicht bekannt geworden ist; denn die
beiden Schwestern, deren Namen wir kennen, dürften jünger
gewesen sein. 1 Den Gegensatz der beiden Antoniae hat der
Künstler nicht minder tief erfa.Bt aIs den der Brüder Tiberius
und Drusus. Antonia minor erscheint aIs die hoheitsvolle Frau,
wie die Geschichte sie kennt, die ihrem Gatten die Treue über
das Grab bewahrte und, aIs das Haus der Julier in wahnwitziger
Selbstzersti5rung endete, der Ietzte Hort wurde der Verwaisten.
Antonia maior hat den Blick zur Erde gesenkt, wie
von tiefer Schwermut umfangen, nul' durch die leise Berührung
des Knaben ihre Teilnahme verratend. Diese Charakteristik
führt wieder auf den Gedanken, da.B Antonia maior starb, ehe
die Reliefs vollendet wurden.
Die Stellung der Manner im Zuge bestimmt ihr Priesteramt.
Drusus war Augur 2 , Domitius Frater arvalis. 3 Auch
hier hat der Künstler den Zwang der ritualen V orschrift
zu seinem Vorteil gewandt, indem el' Drusus, dem Liebling des
Kaisers, die bedeutendere Stelle geben konnte. In den ruhig
bewegten Gruppen der Familienszenen tont das Pathos nul'
leisewieder, wie ein tief im Grund flie.Bender Quell.
Die erste Szene vereinigte die Familie Agrippas, die zweite
umfa.Bte die N achkommen Octavias. Durch diese bewu.Bte Gliederung
erkIart sich das Fehlen der Frauen Livia, Octavia und Iulia, 66
wie der Kinder Caius Caesar, Iulia, Agrippina. Sie hatten
ihren notwendigen Platz auf derverlorenen Platte VOl' dem
Rex sacrorum in unmittelbarer Niihe des Kaisers Augustus.
lUI
1- Domitia Lepida und Domitia, Prosopogr. II 25 n .. 148; S. 26 n .. 155.
Wenn das dargestellte Madchen Domitia Lepida ware, so stand Valeria
Messalina, aIs sie mit Claudius vermahlt war, in den. DreiBigen. Psychologisch
wird das Weib und die Art seines Unterganges erst dann
verstandlich.
2. Prosopogr. l S. 365 n. 689.
a Pro8opogr. II S. 18 n. 110. Die Kumulation der Priestertümer ist
selbst bei Angeh6rigen des Kaiserhauses damaIs vermieden worden.