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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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umgrenzte Gestalt, aber die Dinge assoziieren einander <strong>und</strong> stehen in geheimer Korrespondenz<br />

oder Analogie. Die Phänomene halten einander durch Fluidum, ihre Ordnung baut sich gemäß<br />

jeweiliger Wertvorstellung auf; sie ist eine hierarchische, aber keine starre, sondern<br />

konstellationsabhängige Ordnung. In einer solchen Welt ist kaum Platz für die distanzierte<br />

Gegenüberstellung von Subjekt <strong>und</strong> Objekt ... Der Erkennende beläßt den Gegenstand des<br />

Erkennens in seiner Ruhe bei sich <strong>und</strong> ordnet ihn sich nicht unter, wie es abendländisches<br />

Denken tut, das die Subjekt-Objekt-Spaltung radikal isolierend vorgenommen hat <strong>und</strong> bis gestern<br />

davon überzeugt war, dass das physikalische Objekt, während es beobachtet wird, mit sich<br />

identisch bleibe. ... In der mythischen Welt waren Subjekt <strong>und</strong> Objekt qualitativ nicht<br />

voneinander unterschieden, beide hatten an Eigenschaften teil, die später ausschließlich vom<br />

Subjekt an sich gerissen wurden. Je mehr das Subjekt, d. h. der Mensch, sich seiner als eines<br />

anderen Bewusst wurde, umso mehr wuchs in ihm die Neigung, sich abzusetzen. Der Riss dieses<br />

Verhältnisses führte zu einer scharfen Trennung zwischen Subjekt <strong>und</strong> Gegenstand. Der Mensch<br />

ist nun Zentrum <strong>und</strong> Katalysator der Welt. öAnqrwpoÓ me´tron pa´ntwn. Er steht mit<br />

Herrschaftsanspruch dem Objekt gegenüber, das nicht mehr ein anderes ist neben ihm, sondern<br />

das Ferne unter ihm.” (S. 61)<br />

Diese neue Denkweise wurde nach Emma Brunner-Traut in Griechenland zuerst erreicht <strong>und</strong><br />

verkörpert zugleich einen neuen Typ des Denkens, der vom autonomen Subjekt ausgeht. “Aufs<br />

engste verb<strong>und</strong>en mit der Subjekt-Objekt-Spaltung ist das antithetische Denken in<br />

Gegensatzpaaren, das Entweder-Oder, neben dem es das Dritte nicht gibt, während mythische<br />

Vorstellung zwar Polaritäten - fast darf man sagen: Paare - kennt wie Himmel <strong>und</strong> Erde oder ‘die<br />

beiden Ufer’, die ganz Ägypten ausmachen, oder ‘Ober- <strong>und</strong> Unterägypten’ als eine Bezeichnung<br />

für das ganze Land. Die polare Zweiheit ist in Ägypten, wie anderswo <strong>und</strong> bis heute in<br />

überlieferten Wendungen bei uns, Ausdruck von Vollständigkeit, die aber mehr von<br />

Gleichgewicht als von Antagonismus bestimmt wird. Man darf getrost sagen: auch hier<br />

ruhevolles, addierendes Nebeneinander; Ordnungsgefüge, doch nicht Struktur”. (62) 34<br />

Man kann an das Konzept von Emma Brunner-Traut mit Recht eine ganze Reihe kritischer<br />

Anfragen richten. Werden hier nicht in gewisser Weise die Griechen erneut zu den<br />

34 Über den Wert der beiden unterschiedlichen Apperzeptions- <strong>und</strong> Darstellungsweisen ist damit noch nichts gesagt;<br />

für Emma Brunner-Traut haben sie jeweils ihre eigene Dignität: “Perspektivische Darstellung ist geb<strong>und</strong>en an aktuell<br />

Zufälliges, sie ist nur denkbar in Zeit. Damit trägt sie das Moment des Vergänglichen an sich. Aspektive dagegen ist<br />

zeitstumm <strong>und</strong> dadurch der Dauer verhaftet. Zeitgestaltung <strong>und</strong> Raumgestaltung stehen in engstem Zusammenhang.<br />

An dieser Stelle wird zugleich der unterschiedliche Wert beider Darstellweisen deutlich. Wird Aspektive dem Sosein<br />

des Objektiven gerecht, so erscheint der Gegenstand bei perspektivischer Darstellungsweise verzerrt. Dem Schein<br />

der Dinge wird ihr Sein geopfert. Man wolle nicht vergessen, dass nicht allein Perspektive eine<br />

menschheitsgeschichtliche Leistung bedeutet, es ist eine nicht minder große Leistung, wenn der Mensch entgegen<br />

dem ständigen Wandel der Erscheinung an deren Konstanz festhält.” (69)

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