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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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vergleichbar wäre” 42 . Die “Persönliche Frömmigkeit” konnte sich in der Spätzeit nicht weiter<br />

entfalten, das “Jenseits” wurde zunehmend skeptisch beurteilt, die “diesseitige” “Fortdauer im<br />

Andenken der irdischen Nachkommenschaft” rückte erneut in den Blick. 43 Der Verlust der<br />

Bindung, die im geschlossenen System der Ma’at-Konzeption dem Einzelnen Halt gab, führte zu<br />

erneutem Aufleben der Magie <strong>und</strong> zu einer Restauration des sichtbar-diesseitigen Heiligen, die<br />

dann Ägypten den griechischen Reisenden als iÄerota´th gh+ erscheinen ließ: “Die ersehnte<br />

Gottesnähe sucht der Ägypter nicht mehr im Jenseits, sondern im Diesseits, im Rahmen der<br />

religiösen Zentren des Landes <strong>und</strong> insbesondere seiner eigenen Stadt.” 44 Die alte Struktur der<br />

“konnektiven Gerechtigkeit” wird zur “konnektiven Frömmigkeit”, “zur Idee, durch<br />

Kontemplation <strong>und</strong> kultisches Handeln die Welt zusammenhalten zu können.” 45 Die alte Folie<br />

der negativen Kosmologie <strong>und</strong> Anthropologie bleibt letzten Endes bestimmend <strong>und</strong> verhindert<br />

einen endgültigen “Auszug aus der kosmologischen Gefangenschaft” 46 , wie Assmann im<br />

Anschluss an Eric Voegelin formuliert. “Bis zuletzt ... war sie [sc. die ägyptische Kultur] auf die<br />

Prinzipien der Weltbeheimatung des Menschen, seiner Mitwirkung am göttlichen Projekt der<br />

Weltinganghaltung <strong>und</strong> der unausgesetzten Versöhnung im Sinne der Herstellung von Kohärenz<br />

<strong>und</strong> Kontinuität gegründet.” 47<br />

42 Ebd. 268.<br />

43 J. Assmann 1990, 158. Die entscheidende Untersuchung stammt von Otto 1954.<br />

44 J. Assman 1996, 395.<br />

45 Ebd. 473.<br />

46 J. Assmann 1990, 267.<br />

47 J. Assmann 1996, 474. Er fährt fort: “Die Sehnsucht, von dieser Welt erlöst zu werden, anstatt sich ihr in frommer<br />

Mitwirkung einzugliedern, war ihr zutiefst fremd.” In diesem Zusammenhang ist nun bemerkenswert, dass “Ägypten<br />

ja später im Zeichen des Christentums zum klassischen Land der Einsiedler wurde.” (Assmann 1990, 19 f.)<br />

Assmanns soziologische Erklärung für dieses Phänomen lautet, dass uns nur die “Sinnformationen” der schmalen<br />

ägyptischen Oberschicht zugänglich seien, hinter denen offenbar starke religiöse Sinn-Defizite im einfachen Volk<br />

vorhanden gewesen seien: “Christentum <strong>und</strong> Gnosis konnten ... mit vollkommen neuen Sinnangeboten aufwarten,<br />

die eine starke Faszinationskraft gerade auf jene Schichten ausüben mussten, die sich von der priesterlichen<br />

Elitekultur des hellenistischen Ägypten stärker als je zuvor ausgeschlossen fühlten.” (1996, 474) - Diese Erklärung<br />

erscheint mir im Kontext der obigen Ausführungen ergänzungsbedürftig. Gerade solche f<strong>und</strong>amentalen Strukturen<br />

des Weltverstehens wie das Ma’at-Konzept dürften in der langen ägyptischen Geschichte tief in die ägyptische<br />

Mentalität eingedrungen <strong>und</strong> in allen Schichten des Volkes verankert gewesen sein - ähnlich wie in China bestimmte<br />

konfuzianische Verhaltensmuster auch unter den radikal veränderten politischen Umständen unseres Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

weiter bestehen blieben <strong>und</strong> wohl noch so manches politische Regime überleben werden. Meine Vermutung geht<br />

eher dahin, dass - ähnlich wie sich die ägyptischen Mysterienreligionen im Anschluss an die Struktur der<br />

eleusinischen Mysterien neu konstituierten - die permanente altägyptische Orientierung an Fortdauer <strong>und</strong><br />

Unsterblichkeit in dem Augenblick in radikale Diesseitsverachtung umschlagen konnte, als im Kontakt mit den<br />

Juden <strong>und</strong> vor allem mit platonistisch-dualistischen Modellen des griechischen Denkens erstmals jene Metaebene in<br />

Erscheinung trat, die aus dem “Jenseits” des altägyptischen Denkens das Jenseits im nachachsenzeitlichen Sinne<br />

machte. Ob diese These einer “ägyptischen Achse” in den letzten Jahrh<strong>und</strong>erten des ersten Jahrtausends vor Christus<br />

zutrifft, muss die weitere Forschung vor allem an jenen demotischen Texten zeigen, die größtenteils noch immer<br />

unentziffert <strong>und</strong> unübersetzt in den Museen, Bibliotheken <strong>und</strong> Instituten liegen.

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