2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
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über die Ägäiswelt hin (ja darüber hinaus), in dem primär Sachverstand, Kenntnis,<br />
Einfallsreichtum <strong>und</strong> dann auch tiefere Einsicht in die Zusammenhänge des politischen <strong>und</strong><br />
gesellschaftlichen Lebens etwas galten - <strong>und</strong> sich folglich weiter ausbildeten” (ebd.) - dafür<br />
brauchte es einen Ort der Verdichtung <strong>und</strong> Vervielfältigung der Kommunikation, <strong>und</strong> hier hat<br />
Delphi eine gewichtige Rolle gespielt. Langsam bildete sich hier aus Erfahrung die Einsicht, dass<br />
guter <strong>und</strong> nützlicher Rat für eine Polis oft nicht unmittelbar, sondern erst mittelbar sich auswirken<br />
kann <strong>und</strong> darf.<br />
- Zentren mit autonomer Intelligenz in diesem Sinne waren außer Delphi auch Milet, Elea <strong>und</strong><br />
Athen. Ob Milet dabei aufgeklärter war als Delphi, ist eine schwierige Frage: “Man müßte sich<br />
fragen, ob Religion <strong>und</strong> Aufklärung sich bei den Griechen nicht gründlich anders zueinander<br />
verhielten als in der Neuzeit des christlichen Europas. Man müßte sich auch fragen, ob Delphi,<br />
wenn es wirklich weniger aufgeklärt gewesen sein sollte als Milet, dafür nicht politischer gedacht<br />
hat. Und es bliebe schließlich zu beantworten, ob die milesische Philosophie nicht erst möglich<br />
war, nachdem das griechische Denken schon wesentliche Stadien zurückgelegt hatte.” (112)<br />
- Das Denken der Tyrannen <strong>und</strong> der Sieben Weisen bewegte sich zunächst ganz pragmatisch wie<br />
die vorderorientalische Weisheitsliteratur auf der Ebene der Verbesserung wirtschaftlicher<br />
Verhältnisse.; doch aus der Schwäche <strong>und</strong> nicht befriedigenden Politik der Tyrannis ergab sich<br />
für die Ratgebenden die Notwendigkeit, bei schwankenden Machtverhältnissen immer mehr zum<br />
Ausgleich der Interessen zu raten <strong>und</strong> jedes Übermaß zu bekämpfen. Die Entwicklung ging dabei<br />
von Hesiods Glauben an einen auf jeden Fall durch das Wirken des Zeus erfolgenden gerechten<br />
Ausgleich hin zu dem solonischen Bewusstsein, Unrecht <strong>und</strong> Strafe durch verantwortliches<br />
Handeln der Bürger vermeiden zu können. Während es in den Staaten des Alten Orients letztlich<br />
immer der König war, “der für die Ordnung aufzukommen hatte, den man höchstens ermahnen<br />
oder unter Druck setzen konnte”, hatten hier letztlich alle für die Ordnung aufzukommen - <strong>und</strong><br />
sie hatten sich dafür gegebenenfalls eines Wieder-ins-Lot-Bringers zu bedienen.” (115) Neu <strong>und</strong><br />
entscheidend war also die Neutralität der weisen Männer <strong>und</strong> die “Tatsache, dass die Ordnung als<br />
Zusammenhang gedacht war, als rechtliches Verhältnis zwischen den verschiedenen Teilen der<br />
Stadt, als etwas, das sich selbst tragen muss - <strong>und</strong> notfalls wieder dazu zu bringen ist, dies zu<br />
tun.” (ebd.) Die partikularen Interessen mussten aufgehoben werden “in einer<br />
multidimensionalen Perspektive auf das Gemeinwesen” (ebd.), die Abstraktion <strong>und</strong> das Absehen<br />
vom eigenen Engagement erforderte.<br />
- “Wer aber die Dinge dazu bringen muss, von selbst zu laufen, muss sie in ihren Gründen <strong>und</strong><br />
Zusammenhängen viel besser kennen, als wer sie letztlich selber lenken kann <strong>und</strong> soll. Dieser<br />
muss von ihnen nur wissen, was er braucht, um sie von sich abhängig, sie sich dienstbar zu<br />
machen. Jener dagegen muss ihre Natur erforschen, ihre Eigenart, ihre Gesetze - <strong>und</strong> die