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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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Vergangenheit gewinnt damit noch mehr an Tiefe, die mythische Urzeit wird jetzt von den<br />

Gründungen der Gegenwart deutlich unterschieden, nicht nur in dem Sinne, dass letztere von<br />

ersterer hervorgebracht wurde, sondern auch im Sinne einer nostalgischen Erhöhung <strong>und</strong><br />

Verklärung, die als Gegenbild zum eigenen Endzeitbewusstsein fungiert.<br />

Und dennoch ist dieses neue Geschichtsdenken geprägt von einer immanenten Ambivalenz. Es<br />

stellt einerseits eine erhebliche Weiterentwicklung dar <strong>und</strong> zeugt von einem neuen Umgang mit<br />

der Vergangenheit. Es bleibt auch nicht bloße Episode wie beispielsweise das<br />

Individualitätsgefühl der Ersten Zwischenzeit oder die Aton-Religion der Amarnazeit. Aber<br />

andererseits bleibt im Konnex mit den anderen schon besprochenen Faktoren auch das neue<br />

Geschichtsdenken der Ägypter in gewisser Weise gefesselt. Mehr noch: es wirkt sich fesselnd auf<br />

die anderen Faktoren aus, <strong>und</strong> zwar gerade durch die Größe der eigenen Vergangenheit <strong>und</strong> der<br />

dort repräsentierten symbolischen Formen. Denn mit der Repräsentation dieser nun Bewusst<br />

erfahrenen eigenen Vergangenheit kommen auch die darin codierten Bewusstseinsformen <strong>und</strong><br />

Weltmodelle wie das im Neuen Reich schon verblasste Weltmodell der Ma’at wieder zu neuen<br />

Ehren. Auch <strong>und</strong> gerade in dem Bewusstsein der Tiefe der eigenen Vergangenheit bleibt der<br />

Ägypter daher - wenn auch nunmehr stärker reflexiv <strong>und</strong> selektiv - auf diese Vergangenheit<br />

bezogen, bleibt archaisierend mit dem Rücken zur Zukunft stehen, man könnte fast sagen: mauert<br />

sich ein in eine steinerne Zeit, deren symbolische Formen wie an den bildüberfluteten Mauern<br />

des spätägyptischen Tempels eben doch wieder von zyklisch ritualisierter Zeit <strong>und</strong> von der<br />

Notwendigkeit der Abwehr des Bösen <strong>und</strong> der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der<br />

Ordnung sprechen: “Der Sinn der ägyptischen Religion, das wird hier ganz deutlich, besteht in<br />

der Inganghaltung der Welt, durch Opfer, Zuspruch <strong>und</strong> Verehrung, ‘mit frommem Herzen,<br />

unablässiger Hingabe <strong>und</strong> heiliger Hinwendung’. Die Ägypter waren offenbar durchdrungen von<br />

dem Bewusstsein, dass die Welt solcher unablässigen Verehrung bedürfe, um für den Menschen<br />

bewohnbar zu sein.!” 158 Da die altägyptische Historizität also in ihren Gr<strong>und</strong>zügen unbeschadet<br />

158 J. Assmann 1996, 430. Von “einer gewissen Erstarrung <strong>und</strong> Versteinerung der kulturellen Erinnerung” spricht<br />

auch J. Assmann 1992a (272) im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die “Große Tradition” (zu diesem Begriff<br />

ebd. 269 ff.) in Ägypten nicht durch Texte besetzt wurde, sondern durch die Institution des Kultes mit seinen Riten<br />

<strong>und</strong> Zeremonien <strong>und</strong> durch die Institution des monumentalen Diskurses im Bildprogramm der Tempel. Trotz aller<br />

Zeittiefe <strong>und</strong> Chronologie in den Königslisten <strong>und</strong> Annalen wird weiterhin “die mythische Urzeit als die im<br />

eigentlichen Sinne wirklichkeitsschaffende Geschichte betrachtet, in Bezug auf die dann die eigentliche Geschichte<br />

nur noch bloße Wiederholung <strong>und</strong> rituelle In-Gang-Haltung bedeutet. Dieses auf Ursprung <strong>und</strong> Kreislauf fixierte<br />

Geschichtesbewusstsein findet im ägyptischen Spätzeittempel baulichen, bildlichen, kultischen <strong>und</strong> sprachlichen<br />

Ausdruck. (J. Assmann 1992, 185) - Ein eindrucksvolles Bild der überreichen alten <strong>und</strong> neuen religiös-kultischen<br />

Formen in der Spätzeit, die dem Ziel der Reinheit <strong>und</strong> in religiösen Kategorien definierten Identität <strong>und</strong> letztlich der<br />

Inganghaltung der Welt dienen sollten, entwickelt Assmann 1996, 430 ff. Dieses Verständnis ändert sich auch unter<br />

den Ptolemäern gr<strong>und</strong>sätzlich nicht, die auf das neukonstituierte ökumenische Geschichtsbild des Hekataios<br />

zurückgreifen, der in Ägypten den Ursprung aller (miteinander verwandten Kulturen) erkannte. “Die Ptolemäer<br />

sollten sich als Erben <strong>und</strong> Fortsetzer dieser ersten <strong>und</strong> ältesten Kultur verstehen. Daher musste sie ihnen bis in ihre<br />

äußerste Zeittiefe hinein durchsichtig <strong>und</strong> verständlich werden. Sie sollten kennen, was sie fortzusetzen berufen

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