2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
17<br />
lebens, personaler Identität <strong>und</strong> Verantwortlichkeit beim Totengericht gegen die Feder als<br />
Symbol der Ma’at aufgewogen <strong>und</strong> dabei für gerecht <strong>und</strong> tugendsam bef<strong>und</strong>en wird. Der durch<br />
das Totengericht hindurchgegangene Mensch kann “als Ba ins Jenseits übergehen <strong>und</strong> ein<br />
unsterblicher Gott werden.” (125)<br />
Wenn Assmann auch diese Jenseitsvorstellung des Mittleren <strong>und</strong> Neuen Reiches zwar als einen<br />
Durchbruch bezeichnet, aber nur zu einer “Art von Transzendenz” (123), so liegt dies daran, dass<br />
weiterhin das monistisch-inklusive Ma’at-Konzept den Hintergr<strong>und</strong> dieses<br />
Unsterblichkeitsglaubens bildet. Der leitende Gedanke bleibt der der Kontinuität: “Denn der<br />
Mensch wird ja nicht in dem Sinne zu Osiris, dass er voll <strong>und</strong> ganz, unter Preisgabe seiner<br />
irdischen Identität, im Wesen des Gottes aufgeht. Im Gegenteil: er setzt den Namen wie einen<br />
neuen Titel vor seine bisherigen Namen <strong>und</strong> Titel <strong>und</strong> geht mit dem ganzen Gepräge seiner<br />
Ämter <strong>und</strong> Ehren ins Jenseits ein. Das Geheimnis dieser Kontinuität ist die Ma’at. Sie regiert<br />
Diesseits <strong>und</strong> Jenseits. Wer sich mit ihr erfüllt, ist jenseits-würdig. ... Sie verschafft dem<br />
Menschen nicht nur einen Platz im sozialen Gedächtnis der Gruppe, sondern auch im Jenseits, in<br />
der Götterwelt. Jetzt macht die Ma’at nicht nur unvergänglich, sondern auch unsterblich.” (126)<br />
Das “Jenseitsgericht” bildet daher zwar eine “Schranke zwischen Diesseits <strong>und</strong> Jenseits” (131)<br />
markiert eine “Schwelle” (132) im Verlauf eines rite de passage, aber “mit der Ausweitung des<br />
Konzepts Ma’at auf das Jenseits tritt keine gr<strong>und</strong>sätzliche ‘Verjenseitigung’ ein. Ma’at ist das<br />
Kontinuum, das Diesseits <strong>und</strong> Jenseits verbindet. Der Erfolg einer ma’atgemäßen Lebensführung<br />
manifestiert sich im Diesseits, als Aufstieg in der Beamtenkarriere, in der Gunst des Königs <strong>und</strong><br />
in der Liebe der Mitmenschen, <strong>und</strong> er setzt sich bruchlos ins Jenseits fort: als Rechtfertigung im<br />
Totengericht, Freispruch vom Tode <strong>und</strong> ewiges Leben.” (154) Die Ma’at verbindet nach diesem<br />
Konzept das Erden- mit dem Jenseitsleben <strong>und</strong> ermöglicht den Übergang nicht nur in eine andere<br />
Welt, sondern auch in eine andere, nämlich göttliche Seinsweise.” (119) Damit gilt: “Auch das<br />
‘Jenseits’ gehört zum Kosmos, den es differenziert, nicht transzendiert.” (ebd. 36 ) Heil ist für den<br />
Ägypter letzten Endes “nichts Metaphysisches, sondern die simple Normalität einer Lebensform,<br />
in der sich die Menschen nicht gegenseitig erschlagen. Die Ma’at ist keine transzendente,<br />
metaphysische, absolute Ordnung, deren Durchsetzung auf Erden radikale Umgestaltung alles<br />
Bestehenden erforderte oder gar überhaupt utopisch wäre. Die Welt ist nach ägyptischer<br />
36 Vgl. auch J. Assmann 1996, 197: “Der Ägypter ist nie soweit gegangen, sich ganz ‘jener’ Welt zugehörig zu<br />
fühlen <strong>und</strong> im Tode dorthin ‘heimzukehren’. Beide Bereiche, ‘hier’ <strong>und</strong> ‘dort’, bleiben für ihn immer in eine einzige<br />
Zugehörigkeitssphäre integriert.” Noch schärfer ebd. 209 f.: “Durch das Totengericht sind diese <strong>und</strong> jene Welt nicht<br />
voneinander getrennt, sondern im Gegenteil miteinander verb<strong>und</strong>en, so eng, dass sich das Zwei-Welten-Modell, wie<br />
wir es aus der jüdischen, christlichen <strong>und</strong> gnostischen Tradition kennen, hier kategorisch verbietet.” Man muss das<br />
ägytische “Jenseits” eher als eine Fortsetzung des “Diesseits” unter der Bedingung der Dauer, in gewissem Sinne<br />
vielleicht sogar umgekehrt das “Diesseits” als “vorgezogenes ‘Jenseits’”, als Praeludium des Dauernden verstehen.