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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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lebens, personaler Identität <strong>und</strong> Verantwortlichkeit beim Totengericht gegen die Feder als<br />

Symbol der Ma’at aufgewogen <strong>und</strong> dabei für gerecht <strong>und</strong> tugendsam bef<strong>und</strong>en wird. Der durch<br />

das Totengericht hindurchgegangene Mensch kann “als Ba ins Jenseits übergehen <strong>und</strong> ein<br />

unsterblicher Gott werden.” (125)<br />

Wenn Assmann auch diese Jenseitsvorstellung des Mittleren <strong>und</strong> Neuen Reiches zwar als einen<br />

Durchbruch bezeichnet, aber nur zu einer “Art von Transzendenz” (123), so liegt dies daran, dass<br />

weiterhin das monistisch-inklusive Ma’at-Konzept den Hintergr<strong>und</strong> dieses<br />

Unsterblichkeitsglaubens bildet. Der leitende Gedanke bleibt der der Kontinuität: “Denn der<br />

Mensch wird ja nicht in dem Sinne zu Osiris, dass er voll <strong>und</strong> ganz, unter Preisgabe seiner<br />

irdischen Identität, im Wesen des Gottes aufgeht. Im Gegenteil: er setzt den Namen wie einen<br />

neuen Titel vor seine bisherigen Namen <strong>und</strong> Titel <strong>und</strong> geht mit dem ganzen Gepräge seiner<br />

Ämter <strong>und</strong> Ehren ins Jenseits ein. Das Geheimnis dieser Kontinuität ist die Ma’at. Sie regiert<br />

Diesseits <strong>und</strong> Jenseits. Wer sich mit ihr erfüllt, ist jenseits-würdig. ... Sie verschafft dem<br />

Menschen nicht nur einen Platz im sozialen Gedächtnis der Gruppe, sondern auch im Jenseits, in<br />

der Götterwelt. Jetzt macht die Ma’at nicht nur unvergänglich, sondern auch unsterblich.” (126)<br />

Das “Jenseitsgericht” bildet daher zwar eine “Schranke zwischen Diesseits <strong>und</strong> Jenseits” (131)<br />

markiert eine “Schwelle” (132) im Verlauf eines rite de passage, aber “mit der Ausweitung des<br />

Konzepts Ma’at auf das Jenseits tritt keine gr<strong>und</strong>sätzliche ‘Verjenseitigung’ ein. Ma’at ist das<br />

Kontinuum, das Diesseits <strong>und</strong> Jenseits verbindet. Der Erfolg einer ma’atgemäßen Lebensführung<br />

manifestiert sich im Diesseits, als Aufstieg in der Beamtenkarriere, in der Gunst des Königs <strong>und</strong><br />

in der Liebe der Mitmenschen, <strong>und</strong> er setzt sich bruchlos ins Jenseits fort: als Rechtfertigung im<br />

Totengericht, Freispruch vom Tode <strong>und</strong> ewiges Leben.” (154) Die Ma’at verbindet nach diesem<br />

Konzept das Erden- mit dem Jenseitsleben <strong>und</strong> ermöglicht den Übergang nicht nur in eine andere<br />

Welt, sondern auch in eine andere, nämlich göttliche Seinsweise.” (119) Damit gilt: “Auch das<br />

‘Jenseits’ gehört zum Kosmos, den es differenziert, nicht transzendiert.” (ebd. 36 ) Heil ist für den<br />

Ägypter letzten Endes “nichts Metaphysisches, sondern die simple Normalität einer Lebensform,<br />

in der sich die Menschen nicht gegenseitig erschlagen. Die Ma’at ist keine transzendente,<br />

metaphysische, absolute Ordnung, deren Durchsetzung auf Erden radikale Umgestaltung alles<br />

Bestehenden erforderte oder gar überhaupt utopisch wäre. Die Welt ist nach ägyptischer<br />

36 Vgl. auch J. Assmann 1996, 197: “Der Ägypter ist nie soweit gegangen, sich ganz ‘jener’ Welt zugehörig zu<br />

fühlen <strong>und</strong> im Tode dorthin ‘heimzukehren’. Beide Bereiche, ‘hier’ <strong>und</strong> ‘dort’, bleiben für ihn immer in eine einzige<br />

Zugehörigkeitssphäre integriert.” Noch schärfer ebd. 209 f.: “Durch das Totengericht sind diese <strong>und</strong> jene Welt nicht<br />

voneinander getrennt, sondern im Gegenteil miteinander verb<strong>und</strong>en, so eng, dass sich das Zwei-Welten-Modell, wie<br />

wir es aus der jüdischen, christlichen <strong>und</strong> gnostischen Tradition kennen, hier kategorisch verbietet.” Man muss das<br />

ägytische “Jenseits” eher als eine Fortsetzung des “Diesseits” unter der Bedingung der Dauer, in gewissem Sinne<br />

vielleicht sogar umgekehrt das “Diesseits” als “vorgezogenes ‘Jenseits’”, als Praeludium des Dauernden verstehen.

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