2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
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Kulturen fruchtbar werden können. Reflexive Rationalität, Individualität, Kommunikabilität,<br />
Historizität <strong>und</strong> Politizität mögen bei Griechen <strong>und</strong> Ägyptern vorhanden sein - aber sie scheinen<br />
jeweils etwas durchaus Verschiedenes zu bedeuten. In den meisten bisherigen Arbeiten werden<br />
etwa die Begriffe Rationalität oder Individualität als scheinbar selbstevident unkritisch aus der<br />
Alltagssprache übernommen, wenn man mit ihnen bei der Analyse <strong>und</strong> Beschreibung arbeitet,<br />
statt sie zunächst in gegenseitiger Abgrenzung sorgfältig zu klären, um innerhalb der<br />
Gemeinsamkeiten auch die Unterschiede angemessen bezeichnen zu können. Eine vergleichende<br />
Betrachtung der Ausprägung “achsenzeitlicher Elemente” in Altägypten <strong>und</strong> Griechenland kann<br />
hier einerseits zu größerer Genauigkeit verhelfen <strong>und</strong> andererseits zugleich den Sinn der Rede<br />
von einer “Referenzstruktur” exemplarisch verdeutlichen.<br />
1. Primäre versus sek<strong>und</strong>äre reflexive Rationalität<br />
Zunächst soll es um den Komplex der “reflexiven Rationalität” gehen. Als Zentralbegriff des<br />
altägyptischen Denkens kann hier sicher der Begriff der Ma’at angesprochen werden, <strong>und</strong> es ist<br />
das Verdienst von Jan Assmann, in seinem Ma’at-Buch 12 anhand dieses Begriffes <strong>und</strong> seiner<br />
unterschiedlichen Ausdeutungen vorgeführt zu haben, wie viele Veränderungen das früher oft als<br />
monolithisch-blockhaft missverstandene altägyptische Denken durchlaufen hat, wobei das<br />
Gr<strong>und</strong>konzept der Ma’at immer neuen Ausdeutungen unterzogen wurde.<br />
Im Begriff der Ma’at erschließt sich das “Eigenverständnis der ägyptischen Kultur, ihre<br />
Innenansicht.” (9) Dabei bezeichnet Ma’at gleichzeitig die altägyptische Göttin der Wahrheit <strong>und</strong><br />
Gerechtigkeit <strong>und</strong> ein Wort der ägyptischen Sprache. Der Begriff bedeutet ursprünglich wohl<br />
soviel wie “Richtungssinn” (15) <strong>und</strong> intendiert die Befreiung aus der Orientierungslosigkeit einer<br />
“Welt ohne Sinn <strong>und</strong> Richtung, die keine Berechnung <strong>und</strong> kein Vertrauen ermöglicht”. (16) Auch<br />
ihre beiden ideographischen Zeichen “Sockel” <strong>und</strong> “Feder” lassen sich vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
verstehen: der Sockel im Sinne von “Gerechtigkeit als F<strong>und</strong>ament des Thrones” (nach der<br />
Interpretation von H. Brunner), die Feder im Sinne von “Luft als (metaphorisches) Symbol der<br />
Wahrheit/Gerechtigkeit” (ebd.). “Mit dem Konzept der Ma’at hat eine vergleichsweise sehr frühe<br />
Kultur auf höchster Abstraktionsstufe einen Begriff geprägt, der menschliches Handeln <strong>und</strong><br />
kosmische Ordnung miteinander verknüpft <strong>und</strong> damit Recht, Moral, Staat, Kult <strong>und</strong> religiöses<br />
Weltbild auf eine gemeinsame Gr<strong>und</strong>lage stellt. ... Im Begriff der Ma’at liegt ungeschieden<br />
12 Zum Begriff der „Referenzzeit“ bzw. der „Referenzstruktur“ <strong>und</strong> ihrer Begründung vgl. <strong>Dittmer</strong> 1999 (auch unter<br />
www.chairete.de).