2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
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Gott Seth als den Repräsentanten der asiatischen Welt das Fremde ins eigene übersetzbar. Der<br />
Fremde wird nun nicht mehr einfach als Element des Chaos verstanden <strong>und</strong> symbolisch<br />
ausgesperrt, sondern als der Andere betrachtet, der als Gegner oder Partner erscheinen kann, den<br />
es zu unterwerfen <strong>und</strong> tributpflichtig zu machen oder durch Bündnisverträge <strong>und</strong> politische<br />
Heiraten an sich zu binden gilt. ... Das Weltbild des Neuen Reichs ist ökumenisch, es denkt nicht<br />
mehr in der Begrifflichkeit von ägyptischem Kosmos <strong>und</strong> äußerem Chaos, sondern stellt sich die<br />
vom Sonnengott geschaffene Welt als von vielen Völkern bewohnt vor.” (227)<br />
Die Herrscher der 18. <strong>und</strong> 19. Dynastie setzen die Eroberungszüge fort <strong>und</strong> machen das Bild des<br />
siegreichen Königs, der die Grenzen erweitert, zum neuen politischen Leitbild, wobei das uralte<br />
Bild vom “Erschlagen der Feinde” etwa bei der Darstellung der Schlacht von Kadesch gegen die<br />
Hethiter verwandelt wird in ein möglichst realistisches Schlachtenbild mit außergewöhnlicher<br />
(<strong>und</strong> sich nicht fortsetzender) historischer Individualität. Die Idee, dass der König sich<br />
legitimieren muss durch militärische Erfolge <strong>und</strong> Leistung, führt zu einem bis dahin unbekannten<br />
Imperialismus <strong>und</strong> Militarismus im Neuen Reich. Andererseits sind die Erfolge jedoch nie dem<br />
König selbst zu verdanken, sondern er verdankt sie seinerseits der persönlichen Unterstützung<br />
durch den Gott Amun - wiederum besonders deutlich formuliert von Ramses II. für die Schlacht<br />
von Kadesch. Die ägyptische Geschichte erscheint damit immer mehr als etwas, was “aus dem<br />
planenden Willen <strong>und</strong> den Interventionen Gottes” (230) hervorgeht. Am Ende des Neuen Reiches<br />
steht denn auch im Priesterstaat von Theben eine Art Kirchenstaat, in dem die neue Theologie<br />
des Willens <strong>und</strong> die ramessidische Geschichtstheologie konsequent umgesetzt ist: “Jetzt<br />
übernimmt der Wille Gottes im Medium des thebanischen Orakels die Regierung <strong>und</strong> entscheidet<br />
nicht nur die Staatsaktionen, sondern auch die Alltagsgeschäfte. Die Religion gewinnt einen<br />
anderen Aggregatzustand. Sie wird von einem wichtigen Aspekt der Kultur zu einem<br />
entscheidenden geschichtlichen Faktor, zum Agenten einer durchgreifenden Umgestaltung.”<br />
(231) Auf neue, aber nicht weniger wirksame Weise stellt sich hier eine Verbindung von Staat<br />
<strong>und</strong> Religion für Ägypten her, die wiederum auf eine “Hierarchie” im Doppelsinne de Wortes<br />
hinausläuft: Die “heilige Ordnung” des Staates, zuerst ermöglicht vom Schöpfergott zur Heilung<br />
der gespaltenen Welt, wird nun nicht mehr vom Pharao als Horus oder Sohn Gottes<br />
aufrechterhalten, sondern von dem Pharao, der den Willen Gottes erk<strong>und</strong>et, sich in persönlicher<br />
Frömmigkeit “in seine Hand setzt” <strong>und</strong> mit seiner Unterstützung rechnen darf. Die<br />
Legitimationsfigur also ist eine andere - das Ma’at-Konzept tritt in den Hintergr<strong>und</strong>; aber weder<br />
für die pyramidale gesellschaftliche Struktur noch im Hinblick auf Gewaltenteilung <strong>und</strong><br />
Partizipation ergeben sich daraus irgendwelche Veränderungen.<br />
Erst nach der Dritten Zwischenzeit <strong>und</strong> dem Seevölkersturm ergeben sich gewisse