2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
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Agrargesellschaft des homerischen Epos trat im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Wechsel<br />
im Kriegswesen vom adligen Einzelkämpfer zur Hoplitenphalanx, die auf dem disziplinierten<br />
Zusammenhalt Gleichgerüsteter beruhte, der Gemeindestaat der po´liÓ. Die Stellung der adeligen<br />
Gentilverbände wurde tendenziell geschwächt, die des nichtadeligen einzelnen Bürgers gestärkt.<br />
Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft nahmen Handel <strong>und</strong> Gewerbe einen mächtigen<br />
Aufschwung, was sich wiederum zuungunsten der Großgr<strong>und</strong>besitzer auswirkte. Die<br />
fortschreitende Lösung aus alten Bindungen <strong>und</strong> die zunehmende wirtschaftliche Mobilität<br />
führten dann einerseits zu sozialen Spannungen, die z. T. in die Tyrannis als neue<br />
Herrschaftsform mündeten, andererseits zu einer gewaltigen Kolonisationsbewegung, die aus den<br />
Griechen ein Volk der Seefahrer werden ließ. Da· man dabei in engste Berührung mit den<br />
Kulturen des Ostens kam, weitete in vielfacher Hinsicht den eigenen Horizont <strong>und</strong> führte im<br />
Verein mit den anderen Faktoren zu jenen geistigen Neuerungen, die in der Lyrik <strong>und</strong> schon<br />
vorher um 700 v. Chr. bei Hesiod zum Ausdruck kommen.<br />
Während in der “Theogonie” (22 ff.) das persönliche Erlebnis der Dichterweihe des Hirten<br />
Hesiod auf dem Berg Helikon durch die Musen geschildert wird (allerdings noch in der Er-Form)<br />
<strong>und</strong> die folgende genealogisch strukturierte Systematisierung der Götterwelt, deren Entwicklung<br />
zu einem immer höheren Grad an Ordnung führt, einen erheblichen Fortschritt in Richtung auf<br />
das Weiterdenken des Überlieferten <strong>und</strong> zur Philosophie hin bedeutet 83 , bietet für die “Werke <strong>und</strong><br />
Tage” der persönlich erlebte <strong>und</strong> erlittene Streit mit dem Bruder Perses <strong>und</strong> die dabei erlittene<br />
Unrechtserfahrung die Veranlassung. Aus der gewaltigen Götterfülle der Theogonie entfaltet<br />
Hesiod hier eine neue Zeus-Theologie, die den homerischen “Vater der Götter <strong>und</strong> Menschen” in<br />
besonderer Weise - abstrahierend <strong>und</strong> ihn tendenziell zur Allmacht verdichtend (267 ff.) - zum<br />
Hüter, Wahrer <strong>und</strong> Walter des Rechtes <strong>und</strong> der Gerechtigkeit weiterbildet, die in der Gestalt<br />
seiner Tochter Di´kh über die Erde wandelt. Diese Geburt der Rechtsidee aus der Erfahrung<br />
persönlicher Betroffenheit wird bei Hesiod vermittels einer Adaption altorientalischer Quellen<br />
ergänzt durch eine erste lineare Geschichtstheologie (Pandora-Mythos, Weltalter-Mythos) <strong>und</strong><br />
vor allem durch eine neue Ethik der Arbeit, die er im Anschluss an seine Bewusste Korrektur des<br />
alten, nur negativen eöriÓ-Begriffs entwickelt (11-26). Damit wird die kriegerische aäreth´ Homers<br />
nun ergänzt um die “bürgerliche” aäreth´ des Wettbewerbs (287 ff.), der Gedanke der Steigerung<br />
übertragen auf das Leben des Bauern <strong>und</strong> das Leben der Seefahrt. Der später bei Solon noch<br />
deutlicher ausgesprochene Gedanke der Selbstverantwortung der Menschen für ein Leben in<br />
Gerechtigkeit <strong>und</strong> Fülle wird damit erstmals angedeutet (274 ff.), aber im Unterschied zum<br />
altägyptischen Denken verb<strong>und</strong>en mit dem auf Steigerung <strong>und</strong> Wettbewerb angelegten aäreth´ -<br />
83 Das gilt gerade auch in der Umgestaltung des z. T. zugr<strong>und</strong>eliegenden altorientalischen Materials, wo Hesiod z. B.<br />
beim Kumarbi-Epos das Prinzip der Steigerung an die Stelle der überlieferten zyklischen Kompositionsweise setzt.