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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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politischer Gliederung anscheinend im Fortschritt begriffenen Menschheit.” 166<br />

5. Hierarchisches versus reflexiv-partizipatorisches Gesellschaftsmodell<br />

Schon die bisherigen Abschnitte haben gezeigt, wie eng die Jaspers’schen Kategorien<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> jeweils besondere Konstellationen bilden, aus denen kein<br />

Baustein ohne weiteres herausgenommen <strong>und</strong> in eine andere Konstellation implantiert werden<br />

kann. Dies wird besonders deutlich auch am Beispiel des Verständnisses von Staat, Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> Politik bei Ägyptern <strong>und</strong> Griechen. Während in Ägypten der König eingeb<strong>und</strong>en ist in das<br />

monistisch-inklusive Ma’at-Konzept <strong>und</strong> als Sohn des obersten Gottes die “heilige Ordnung” in<br />

Staat <strong>und</strong> Gesellschaft aufrecht erhalten muss, um den Kosmos <strong>und</strong> seine ritualistisch-zyklisch<br />

gedachte Geschichte in Gang zu halten - eine Aufgabe also, die auch ihm nur eine begrenzte<br />

Entfaltung seiner Individualität erlaubt, weil sie ihn auf die Gewährleistung ritueller Kohärenz<br />

festlegt - , entfaltet sich die sek<strong>und</strong>äre reflexive Rationalität der Griechen nicht nur in der<br />

Erforschung des als seiend gesetzten Kosmos, sondern auch auf der Ebene gesellschaftlicher<br />

Ordnung, Frage nach der bestmöglichen Organisation menschlichen Zusammenlebens stellen vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> einer zwar unbeherrschbaren, aber offenen <strong>und</strong> vom Menschen je nach<br />

Begabung <strong>und</strong> politischer Zugehörigkeit aus Lernen <strong>und</strong> Erfahrung strukturierbaren,<br />

“multisubjektiven” Geschichte. 167<br />

Aber zuerst ein genauerer Blick auf Ägypten. 168 Nach Jan Assmann war “die pharaonische Kultur<br />

... nicht in der Lage, sich eine andere Form legitimer politischer Ordnung als die monarchische<br />

166 Ebd.<br />

167 Die Verwendung des Begriffes ‘multisubjektiv’ in diesem Kontext stammt von Christian Meier (ebd. 605). Für<br />

die Wirkung, die das politische Leben der Griechen seit dem 5. Jahrh<strong>und</strong>ert auf ihr Verständnis von Geschichte als<br />

Ereignis-Geschichte ausgeübt hat, vgl. ebd. 602 f.: “In den breiten Kreisen von Bürgern, die in den , z. T. schon<br />

demokratischen, Poleis an der Politik verantwortlich <strong>und</strong> betroffen beteiligt waren, entstand ein besonderer Sinn für<br />

politisch-militärisches Geschehen. Politik erhielt - durch die neuartige <strong>und</strong> ungewöhnlich starke Betonung politischer<br />

Zugehörigkeit - einen ganz neuen Stellenwert, sie intensivierte sich, ungeahnte Möglichkeiten zu handeln, zu planen,<br />

zu verändern wurden freigesetzt. Politische Ordnung erschien plötzlich als machbar. Infolge davon entstand ein<br />

neues Bedürfnis nach Orientierung in der Politik, entstand breithin Sachverstand <strong>und</strong> Kritik. Politik konnte nicht<br />

mehr nur als Serie von großen Taten, Veränderung nicht mehr nur als Ausdruck tieferer Sinnzusammenhänge (etwa<br />

der schicksalhaften Verkettung von Schuld <strong>und</strong> Sühne oder von Auf- <strong>und</strong> Abstieg) erscheinen. Politik konnte auch<br />

nicht mehr einfach in problemloser Routine weiterbetrieben werden. So konnte <strong>und</strong> musste Politik von außen <strong>und</strong><br />

doch sachverständig beurteilt werden, ließen sich nicht nur engere, sondern auch weitere Zusammenhänge ‘nur noch<br />

historisch erklären’. So konnte denn auch die Kontingenz des politisch-militärischen Geschehens plötzlich zum<br />

Prinzip generationenübergreifender Rekonstruktionen werden. So wurde ereignisgeschichtliche Betrachtung<br />

literaturfähig. Der Öffentlichkeit der breiten Kreise von Freien <strong>und</strong> Gleichen entsprach die Veröffentlichung größerer<br />

Geschichtswerke.”<br />

168 Vgl. außer Assmann 1992 <strong>und</strong> 1996 besonders Brunner-Traut 1990, 82-98, <strong>und</strong> Hornung 4 1993, 74-104.

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