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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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Ritualcharakter tritt zurück, die Bedeutsamkeit verlagert sich vom Regelhaften zum Besonderen:<br />

“Im Neuen Reich beginnt sich das Verhältnis von Figur <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong> umzukehren. Die Ereignisse<br />

treten jetzt vor dem Hintergr<strong>und</strong> des immer Wiederkehrenden hervor wie die Schrift an der<br />

Wand.” 153 Der Wandel der Welt tritt verstärkt ins Blickfeld <strong>und</strong> läßt den Einzelnen Schutz suchen<br />

<strong>und</strong> Geborgenheit “in der Hand Gottes” (wie Amenemopes Formel lautet), auf dessen Hilfe er<br />

dann vertrauen kann. Folgerichtig wird im “Gottesstaat von Theben” in der 21. Dynastie der<br />

Gedanke der repräsentativen Herrschaft des Königs, der den Gott vertritt, ersetzt durch das<br />

identitäre Modell, dass die Priester des Amuntempels den Willen Gottes lediglich ausführen, zu<br />

dessen Erk<strong>und</strong>ung nun ein bis dahin in Ägypten weitgehend unbekanntes Orakel- <strong>und</strong><br />

Deutungswesen gebildet wird - Ägypten nähert sich dem Stil der in Mesopotamien üblichen<br />

Divinationskultur an. Und dennoch: Über Ansätze zu einer Divinationskultur geht man damals in<br />

Ägypten nicht hinaus. Das wird deutlich bezeugt durch die breite Ausgestaltung der Magie als<br />

ritueller Ergänzung der Persönlichen Frömmigkeit. Denn “die Magie beruht auf<br />

Kohärenzfiktionen, d. h. Gr<strong>und</strong>annahmen über das, ‘was die Welt im Innersten zusammenhält’,<br />

die mit einer radikalen Theologie des Willens nicht in Einklang zu bringen sind. ... Die Magie<br />

beruht auf der Vorstellung einer Ordnung, die man in dem Maße beeinflussen kann, wie man sie<br />

kennt. Ordnung ist das Gegenteil von Willkür. Magie wäre nicht möglich, wenn Gottes Wille<br />

dem Menschen als Willkür erscheinen würde <strong>und</strong> somit unerforschlich wäre. Die Theologie des<br />

Willens ist also nur die eine Seite. Die andere ist eine Vorstellung von Kohärenz, die auf<br />

erkennbaren Ordnungszusammenhängen beruht. Die Idee des verborgenen Allgottes aber ist für<br />

beide Seiten gleichermaßen verbindlich.” 154<br />

Auch für den Bereich der Historizität läßt sich mit Jan Assmann von einer “tiefgreifenden<br />

bewusstseinsgeschichtlichen Veränderung” 155 erst für die äthiopische <strong>und</strong> saitische Renaissance<br />

im 7. Jahrh<strong>und</strong>ert sprechen - also für einen Zeitraum, der innerhalb der Jaspers’schen Achsenzeit-<br />

Konzeption liegt: Erst jetzt kommt es, schnell auf weitere Kreise übergreifend, “zu einer<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich neuen Beziehung zur geschichtlichen Vergangenheit <strong>und</strong> zu einer neuen<br />

Bedeutung: als ein Fall göttlicher Gunstbezeugung <strong>und</strong> königlicher Bewährung. Im Gelingen der Geschichte<br />

offenbart sich nicht mehr die verwirklichte Ma’at, sondern unmittelbar die ‘Zuwendung’ Gottes.” (263)<br />

153 Ebd. 273. Assmann fährt fort: “Das entspricht dem mesopotamischen Modell. Der Wille der Götter, der hier nicht<br />

wie in Ägypten vollständig absorbiert wird durch das Geschäft der Weltinganghaltung, richtet sich auch auf die<br />

menschliche Geschichte, auf menschliches Handeln <strong>und</strong> Ergehen. Damit aber bietet hier, anders als in Ägypten, auch<br />

die Geschichte einen Raum religiöser Erfahrung <strong>und</strong> Bedeutung <strong>und</strong> erfüllt sich mit Sinn. Im alten Ägypten,<br />

zumindest in den älteren Perioden seiner Entwicklung, war das nicht der Fall.” - Die Öffnung des Sinns für das<br />

Historische im Sinne des Einmaligen <strong>und</strong> Ereignishaften scheint neben dem Kontext mit den Veränderungen im<br />

Ma’at- <strong>und</strong> Individualitätsverständnis auch mit dem Einfluss des gegnerischen Hethiterreiches zusammenzuhängen,<br />

dessen geschichtlicher Sinn ausgehend vom Rechts- <strong>und</strong> Vertragsdenken stärker linear ausgeprägt war. Vgl. dazu<br />

ausführlich J. Assmann 1992, 229 ff. <strong>und</strong> 257.<br />

154 J. Assmann 1996, 345.<br />

155 Ebd. 375. Vgl. oben unter Kapitel 3.

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