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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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Optionen ausgewählt. Dadurch gewinnen die Botschaften eine reflexive Dimension: sie<br />

realisieren nicht nur ein bestimmtes Thema bzw. eine bestimmte Funktion, sondern machen<br />

darüber hinaus auch eine stilistische Wahl sichtbar, die ein Bekenntnis zur Vergangenheit<br />

darstellt <strong>und</strong> damit zu Ägypten als einer kulturellen Identität.” (ebd. 375) Neben den<br />

kontinuierlichen Gebrauch alter Formen tritt besonders in der Saitenzeit die Form des Rückgriffs<br />

in einem Umfang, “der auch für ägyptische Verhältnisse ungewöhnlich ist <strong>und</strong> die Bezeichnung<br />

‘Renaissance’ verdient. Ägypten entdeckt nun in einem viel umfassenderen Sinne als in der<br />

Ramessidenzeit sein eigenes Altertum <strong>und</strong> erhebt es in den Rang einer normativen<br />

Vergangenheit. ... Der Rückgriff auf Modelle der Vergangenheit nimmt das Ausmaß einer<br />

kulturellen Revolution an. Er umfasst jetzt alle Bereiche der Kultur bis hin zur Namensgebung.<br />

Man legt sich ‘schöne Namen’ zu, die an Namen des Alten Reichs anklingen, läßt sich in Stil <strong>und</strong><br />

Tracht des Alten Reichs darstellen, kopiert aber auch Vorbilder des Mittleren <strong>und</strong> Neuen Reichs,<br />

erreicht in der Inschriftensprache ein wesentlich reineres Mittelägyptisch als in der Äthiopenzeit<br />

<strong>und</strong> verwendet auf breiter Basis uralte Pyramidentexte für die Grab- <strong>und</strong> Sargbeschriftung.” (ebd.<br />

377) Erst jetzt “erfährt die ägyptische Totenbuchtradition eine durchgehende Redaktion” im<br />

Sinne einer Kanonisierung, “die nicht nur die Textgestalt der einzelnen Sprüche, sondern vor<br />

allem auch Reihenfolge <strong>und</strong> Gesamtbestand festlegt.” (ebd. 378)<br />

Der gesamte Vorgang mag in seinem Eklektizismus geradezu als eine Art “Ägyptomanie der<br />

Ägypter” erscheinen, als Inszenierung <strong>und</strong> kulturelle Maskerade. Besser gerecht wird man ihm,<br />

wenn man in der aneignenden Durcharbeitung des eigenen Geschichtsraums einen vergleichbaren<br />

Durchbruch historischen Bewusstseins sieht wie in der etwa gleichzeitigen Konstruktion<br />

historischer Vergangenheit in Israel (Exodus-Erzählung), Assyrien <strong>und</strong> Babylonien (Palast-<br />

Bibliotheken) <strong>und</strong> Griechenland (peisistratidische Redaktion des Homertextes), nur dass die<br />

Voraussetzungen in Ägypten viel günstiger waren: “Die Zeugnisse der Vergangenheit standen<br />

hier in überwältigender Sichtbarkeit <strong>und</strong> Zugänglichkeit vor aller Augen. ... Der eigentümliche<br />

Konservativismus des hieroglyphischen Schriftsystems <strong>und</strong> die Gründlichkeit der ägyptischen<br />

Schulbildung, die die Kenntnis der klassischen Sprache <strong>und</strong> der f<strong>und</strong>ierenden Texte immer<br />

lebendig gehalten hat, sowie schließlich auch der kontinuierliche Gebrauch teilweise uralter<br />

Texte im Kult hatten dafür gesorgt, dass diese Monumente nicht nur sichtbar, sondern auch lesbar<br />

blieben.” (ebd. 380) Andererseits erweist sich gerade dieser Vorzug in gewisser Weise als<br />

Hindernis, denn durch die Überfülle des Überlieferten, das seit der Saitenzeit noch stärker als<br />

bisher vorbildhaften Rang hat <strong>und</strong> “das es in möglichster Perfektion zu kopieren gilt”, wird auch<br />

die gesamte Kunst <strong>und</strong> Sprache der Tempeldekoration noch “regelgeb<strong>und</strong>ener, stereotypisierter,<br />

wenn man will, ritualisierter als alle frühere Kunst. Der piktographische Charakter der<br />

ägyptischen Kunst, die Tendenz zur Bildformel, die der Kunst aufgr<strong>und</strong> ihrer engen

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