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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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beieinander, was später in Staats-, Moral-, Naturphilosophie <strong>und</strong> Theologie auseinandertreten<br />

wird. Die ägyptische Ma’at-Lehre bezieht sich auf den Ort des Individuums in der Gesellschaft,<br />

den Ort der Gesellschaft im pharaonischen Staat <strong>und</strong> den Ort des Staates im Kosmos. Als der<br />

Oberbegriff aller Bindungen <strong>und</strong> Verpflichtungen - gegenüber dem Mitmenschen, dem Staat <strong>und</strong><br />

dem ‘Heiligen’ - <strong>und</strong> als Oberbegriff aller Denken <strong>und</strong> Handeln steuernden Axiome entspricht sie<br />

dem, was am angemessensten als ‘ägyptische Religion’ zu bezeichnen wäre” - aber nur, wenn<br />

man sich dabei klarmacht, dass es sich um eine heidnische, weltbezogene, innerweltliche<br />

“Religion” handelt: “Als In- <strong>und</strong> Oberbegriff aller Normen, Verpflichtungen <strong>und</strong> Axiome, die das<br />

menschliche Leben in den sozialen <strong>und</strong> politischen Ordnungen des Zusammenlebens steuern,<br />

deckt sie sich mit dem, was auch ‘Kultur’ genannt werden könnte, sie ist eine ‘symbolische<br />

Sinnwelt’, die alles Handeln <strong>und</strong> alle Ordnungen <strong>und</strong> Institutionen f<strong>und</strong>iert.” (17 f.)<br />

Im “kompakten” (Eric Voegelin) Begriff der Ma’at ist also eine dynamische Homologie von<br />

Kosmos <strong>und</strong> Gesellschaft, Ordnung <strong>und</strong> Gerechtigkeit impliziert. Im Unterschied zum<br />

griechischen Kosmos-Denken handelt es sich jedoch nicht um eine vom Menschen unabhängig<br />

gedachte <strong>und</strong> insofern “autopoietische” Weltordnung, deren prinzipielle Wohlgeordnetheit sie zu<br />

einem letztinstanzlich begründenden, verbindlichen Modell der politischen, sozialen <strong>und</strong><br />

personalen Orientierung machen kann. Und andererseits ist auch der jüdisch-christliche Gedanke<br />

der Schöpfung fernzuhalten, die Welt sei inklusive ihrer Ordnung das “Objekt eines<br />

Schöpfungsaktes, der dem freien Willen eines transzendenten Gottes entspringt.” (34)<br />

Demgegenüber bezeichnet der Begriff der Ma’at primär “das Programm einer politischen<br />

Ordnung, die nicht nur unter den Menschen soziale Gerechtigkeit herstellen, sondern dadurch<br />

Götter- <strong>und</strong> Menschenwelt in Einklang bringen <strong>und</strong> die Welt insgesamt in Gang halten will. Denn<br />

der Ägypter lebte in einer Welt, die seiner Überzeugung nach unablässiger Inganghaltung<br />

bedurfte.” (34)<br />

Den letzten Hintergr<strong>und</strong> dieser Ma’at-Konzeption bildet die negative altägyptische Kosmologie,<br />

die nicht wie bei den Griechen im wohlgeordneten kosmischen Sein das Wesen der Welt<br />

erblickte, sondern die diese Ordnung prozessual verstand als etwas, was der dauernden<br />

Bedrohung durch das umschließende Nicht-Sein <strong>und</strong> das Chaos der Isfet immer wieder neu<br />

abgerungen werden musste. Assmann fasst zusammen: “Das ägyptische Modell liegt offenbar in<br />

der Mitte zwischen dem griechischen <strong>und</strong> dem israelitischen. Von dem griechischen<br />

Kosmosbegriff unterscheidet es sich durch seine Dynamik. Nach ägyptischer Vorstellung geht es<br />

bei dem, was wir ‘Kosmos’ nennen, um einen Prozess, dessen Gelingen fortwährend auf dem<br />

Spiel steht <strong>und</strong> der unausgesetzten in-Gang-haltenden Willensanstrengung der Götter entspringt.<br />

Aber die Götter können auch gar nichts anderes wollen als die In-Gang-Haltung der Welt. Darin

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