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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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möglichen Weisen ihres Zusammenwirkens. Insofern stellten sich die Probleme des politischen<br />

Lebens mit der Zeit bei den Griechen sehr viel intensiver <strong>und</strong> radikaler, sehr viel mehr auf die<br />

Prinzipien <strong>und</strong> Ursachen hin als anderswo. Da konnte es kaum ausbleiben, dass man in<br />

ähnlichem Sinne auch die Natur befragte. Wo die politische Ordnung so aus den Fugen geraten<br />

war, konnte ohnehin auch der Kosmos nicht mehr einfach als selbstverständlich geordnet<br />

erscheinen. So kam man auch in Hinsicht auf die Welt dazu, nach Ursachen <strong>und</strong> Gesetzen zu<br />

suchen. Alle möglichen Fragen, herkömmliche wie neue, waren dann offenbar unabhängig vom<br />

Wirken einzelner Götter zu beantworten, wie überhaupt göttliche Willkür im Denken dieser<br />

Intelligenz nichts mehr zu suchen hatte. Der Polytheismus konnte nicht mehr weiterhelfen.<br />

Hingegen mochte nach einem göttlichen Prinzip, nach einem Göttlichen im Singular gefragt<br />

werden, dessen gesetzmäßiges Wirken empirisch zu erkennen sei.” (116)<br />

- Dieser Zusammenhang des politischen <strong>und</strong> des philosophischen Denkens ist besonders deutlich<br />

bei Anaximander: “Ganz unverkennbar ist, dass das Modell einer Welt, die nicht von einer<br />

einzelnen transzendenten Instanz beherrscht wird, sondern von einem Gesetz, eng verwandt mit<br />

der Konzeption Solons ist. Die Natur wird als ‘ein autarker Bereich immanenter<br />

Gesetzmäßigkeit’ begriffen.” [Hölscher bei Meier 117] Anaximanders geometrisch-artifizielle<br />

Begründung der Ruhelage der Erde im Kosmos scheint der abstrakten Isonomie-Auffassung zu<br />

präludieren, wo staatliche Ordnung <strong>und</strong> gesellschaftliche Wirklichkeit anders als bei Solon<br />

auseinanderfallen. “Im Gegensatz zu Solons Eunomie <strong>und</strong> gewiss auch zu den Erwartungen, die<br />

mit der Isonomie verknüpft waren, kannte diese Welt [von Buße <strong>und</strong> Strafe, die die Dinge<br />

einander zahlen] also nicht den Zustand rechtmäßiger gleichbleibender Ruhe, in der der circulus<br />

vitiosus von Unrecht <strong>und</strong> Verderben durchbrochen war, sondern ihr Gleichbleiben ergab sich aus<br />

dem Wechsel von Unrecht <strong>und</strong> Strafe, aus der ständigen Unruhe. Der Ausgleich war nicht<br />

synchron vorhanden, sondern stellte sich erst diachron her. Später konnte man diesen Gedanken<br />

in der Demokratie ins Positive wenden, indem man auf Erden die Rotation, denselben Wechsel<br />

von Regieren <strong>und</strong> Regiertwerden herstellte, der auch am Himmel zu walten schien.” (117 f.)<br />

Indem Anaximander “eine allgemeine Gesetzmäßigkeit innerhalb einer im Ganzen sich<br />

gleichbleibenden, alle umfassenden Ordnung” (118) formulierte, ging er insofern weiter als<br />

Solon, als er dieses Gesetz für die ganze Natur aufstellte. “Nur dass er keine dauerhafte<br />

Herrschaft von Extremen <strong>und</strong> überhaupt nicht Herrschaft, sondern Gesetz als Oberstes<br />

anerkannte, hatte er mit der Eunomie gemein.” (118) Schon bei Heraklit heißt es dann expressis<br />

verbis, dass “sich die Gesetze der Stadt aus dem Gesetz, das in der Welt herrscht, nähren.” (B 114<br />

DK) Auch beim Isonomiedenken der Zeit des Kleisthenes stand - wie im medizinischen Denken<br />

des Alkmaion - zuerst der Gedanke der Balance im Vordergr<strong>und</strong>, der Isonomie der Kräfte

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