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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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Widerspruch zum Individuellen empf<strong>und</strong>en worden wäre. 58 In stereotypen Phrasen wird vielmehr<br />

ein Idealporträt des Verstorbenen entworfen, dessen Kern hinter einer immer gleichen<br />

Abhandlung von Topoi darin zu sehen ist, dass das Leben des Verstorbenen in allen seinen<br />

Bereichen gelungen ist dank der unbedingten Unterordnung <strong>und</strong> Einordnung in das Wertgefüge<br />

der Ma’at, deren Interessen er stets vertreten <strong>und</strong> gegen ihre Gegner verteidigt hat. Über die<br />

längste Zeit der ägyptischen Geschichte bilden die entscheidenden Bezugspunkte für die<br />

Herausbildung von Personalität <strong>und</strong> Persönlichkeit einerseits der König als sinnstiftende Instanz<br />

<strong>und</strong> “Zentrum aller einzelnen Lebensläufe <strong>und</strong> alleinige Quelle aller Intentionen <strong>und</strong><br />

Initiativen” 59 , andererseits das Prinzip der Ma’at als gerechter Ordnung, das “den Einklang des<br />

Individuums mit der Gemeinschaft zum höchsten Wert erklärt, der Dauer garantiert, nicht nur als<br />

langes Leben auf Erden, sondern auch noch als Fortdauer über den Tod hinaus.” 60 Das ägyptische<br />

Erziehungsideal sieht denn auch seine Aufgabe darin, den Eigen-Sinn <strong>und</strong> den Gemeinsinn so zu<br />

vermitteln, dass der Einzelne zum “Baustein im Ordungsgefüge” 61 wird. Nicht das Einmalige,<br />

Besondere, Außergewöhnliche, Abweichende usw. wird hier also als Kennzeichen großer<br />

Individualität gesehen, sondern gerade umgekehrt gelingende Individualität <strong>und</strong> folgende<br />

Unsterblichkeit in Abhängigkeit gedacht von strikter Konformität gegenüber dem übergreifenden<br />

Gewebe der Ma’at <strong>und</strong> von der damit zugleich erforderlichen “politischen” Subordination, der<br />

bedingungslosen Einfügung in die steile Hierarchie der altägyptischen Gesellschaft (s.u. Kapitel<br />

5).<br />

In der Literatur scheint diese Besonderheit auf in der Häufigkeit von Zitat, Anspielung,<br />

Ergänzung <strong>und</strong> Variation: “Wertvolles Traditionsgut beizubehalten, nicht abzuschaffen, sondern<br />

umzuwerten, so dass einerseits die Kontinuität erhalten bleibt, andererseits das jeweils<br />

Notwendige gesagt werden kann, gehört zum Wesen ägyptischer Kultur. Im Alten wird das Neue<br />

gesucht <strong>und</strong> aufgef<strong>und</strong>en.” 62 Die gesamte bildende Kunst <strong>und</strong> Literatur wurde bei den Ägyptern<br />

eher dem Handwerk als der Kunst zugerechnet, <strong>und</strong> die Namen ihrer “Autoren” wurden daher in<br />

der Regel auch nicht tradiert, sondern blieben anonym. Interessant ist der Ausnahmefall der<br />

Lebenslehren, bei denen die Namen ihrer Verfasser aufgr<strong>und</strong> ihres hohen Ansehens dennoch<br />

überliefert wurden: Die Hervorhebung des Dichters tritt damit in einen für unser Empfinden<br />

auffallenden, <strong>und</strong> sehr charakteristischen Gegensatz zum “betont traditionellen Charakter der<br />

58 Man beachte auch “die ungewöhnliche Rolle, die Kosmetik ..., Tracht <strong>und</strong> Haartracht ... in Ägypten gespielt haben<br />

als Formen einer Unterdrückung individueller Züge zugunsten einer Selbst-Stilisierung in Richtung auf ein<br />

typisiertes Menschenbild.” (J. Assmann 1982, 965)<br />

59 J. Assmann 1982 b, 966.<br />

60 Ebd.<br />

61 Arnold Gehlen, zitiert nach J. Assmann 1982, 967.<br />

62 Brunner 4 1986, 5.

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