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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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mustergültigen Vorbildern unseres abendländischen Denkens <strong>und</strong> darüber hinaus - eurozentrisch<br />

- zu den Urbildern fortgeschrittenen Denkens überhaupt gemacht? Gibt es nicht auch in der<br />

griechischen Kultur erhebliche Anteile einer “primären reflexiven Reflexivität”, so wie es Spuren<br />

einer “sek<strong>und</strong>ären reflexiven Rationalität” bei den Ägyptern gibt? In welchem Verhältnis steht<br />

die “Erfindung der Perspektive” durch die Griechen zu dem nachachsenzeitlichen Denken etwa<br />

in Indien oder in China? Bei allen diesen <strong>und</strong> manchen anderen Fragen scheinen noch erheblich<br />

genauere Differenzierungen erforderlich zu sein, um der historischen Wirklichkeit in ihrer<br />

Vielfalt gerecht zu werden. Dennoch ist das von Emma Brunner-Traut angeführte Material zu<br />

gewichtig, um nicht im Weberschen Sinne eines idealtypischen Modells als heuristischer Ansatz<br />

fruchtbar zu sein im Rahmen eines Projektes, das Gr<strong>und</strong>formen menschlicher Welterfahrung<br />

begrifflich zu fassen sucht, um auf diesem Wege den oftmals spiralig anmutenden Verlauf<br />

historischer Prozesse <strong>und</strong> die f<strong>und</strong>amentale Struktur interkultureller Kommunikationsprobleme<br />

besser zu verstehen.<br />

Doch zurück zu einer weiteren Erscheinungsform “primärer reflexiver Rationalität” bei den<br />

Ägyptern. Unbestritten ist, dass der Zentralgedanke der gesamten altägyptischen Kultur der<br />

Gedanke der Fortdauer war, die man den Dingen verleihen wollte, sei es auf dem Wege der<br />

rituellen Inganghaltung der Welt, sei es als Bemühung um die fortdauernde Existenz oder<br />

Unsterblichkeit des Einzelnen. Ganz abgesehen von der besonderen Bedeutung, die bei diesem<br />

Bemühen der Individualität einer Person zukam (vgl. unter <strong>2.</strong> 3), musste das besondere<br />

Augenmerk der Ägypter in diesem Kontext dem Fragen nach dem Bereich gelten, den wir als das<br />

“Jenseits” bezeichnen. Auffallend ist nun, dass zwar die gesamte altägyptische Kultur sich in<br />

wechselnder Gestalt <strong>und</strong> mit variierenden Antworten der Frage nach der Möglichkeit <strong>und</strong> der<br />

Qualität eines “jenseitigen” Lebens widmete, dabei jedoch kein dezidiertes Bewusstsein für das<br />

“Ganz-andere” dieses Jenseits im Vergleich zum irdischen Leben im Tal des Nil zu entwickelte.<br />

Während es im Alten Reich ohnehin nur um eine Art “Fortdauer im Grabe” ging <strong>und</strong> primär das<br />

“Nachleben” des Pharao im Blick war, entwickelte sich in den folgenden Dynastien die Idee des<br />

Totengerichts, <strong>und</strong> zwar “in Zusammenhang mit der Entfaltung des ‘Inneren Menschen’. ... Sie<br />

hat die Demotisierung der Ba-Vorstellung, die Ausbreitung der Osiris-Religion <strong>und</strong> die Lehre<br />

vom Herzen zur Voraussetzung.” 35 Während im Alten Reich besonders die Fortdauer des Leibes<br />

im Blick war, die “erstens von der immateriellen Gr<strong>und</strong>lage des sozialen Gedächtnisses, der<br />

Erinnerung an die ‘Tugend’, <strong>und</strong> zweitens von der materiellen Gr<strong>und</strong>lage der Grabanlage <strong>und</strong> des<br />

Totenkults” (124) abhängig war, geht es jetzt zusätzlich um die endgültige Unsterblichkeit, die<br />

jedermann erreichen kann, wenn sein Herz als Träger von Gedächtnis, Bewusstsein des Erden-<br />

35 J. Assmann 1990, 123. Die folgenden Zitate stammen aus diesem Werk.

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