2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
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verpflichtendem Charakter, das nur aufgr<strong>und</strong> seines hohen Allgemeinheitsgrades oberhalb jeden<br />
Fach- <strong>und</strong> Sachwissens, nicht aber aufgr<strong>und</strong> funktionaler Unfestgelegtheit bzw. ‘Ästhetizität’ <strong>und</strong><br />
‘Fiktionalität’ unserem Begriff von Literatur nahekommt.” (ebd. 141 f.)<br />
Im Zuge dieser Entwicklung wächst gerade in der Weisheitsliteratur der ideale Schreiber “über<br />
den kompetenten Verwalter, Bürokraten <strong>und</strong> Ritualisten hinaus <strong>und</strong> wird zum Gebildeten,<br />
Gelehrten <strong>und</strong> Weisen. Das kulturelle Wissen wird im Zentralbereich der verpflichtenden<br />
Verhaltensnormen schriftlich. Schreiben lernen heißt von jetzt an mehr als Berechnen,<br />
Organisieren <strong>und</strong> Verwalten lernen, es heißt in einem sehr umfassenden Sinne ‘Leben lernen’.”<br />
Aber auch bei diesem wichtigen Schritt der Überführung der Gr<strong>und</strong>sätze der richtigen<br />
Lebensführung in die sprachlich artikulierte <strong>und</strong> reflektierte Form des “kulturellen<br />
Gedächtnisses” dienen die Texte letztendlich der Aufgabe der “Anpassung an das Gegebene”<br />
(ebd. 143), die in der Zeit des Traditionsabbruchs nach der Ersten Zwischenzeit auf neue Weise<br />
wichtig wurde: “Die Normen sozialen Handelns <strong>und</strong> Verhaltens werden in dem Moment<br />
verschriftlicht <strong>und</strong> kodifiziert, wo erstens die ‘mimetische Tradition’ abgebrochen ist <strong>und</strong> es<br />
keine Vorbilder <strong>und</strong> Lebensformen mehr gibt, die diese Normen verkörpern, wo zweitens die<br />
selbstverständliche Geltung dieser Normen nicht mehr gegeben ist <strong>und</strong> wo drittens ihre<br />
Verbreitung über den angestammten Trägerkreis hinaus notwendig wird. ... Einerseits galt es, den<br />
Normen der integrativen Ethik <strong>und</strong> Selbstzurücknahme wieder Geltung zu verschaffen, die mit<br />
dem Zusammenbruch des Alten Reichs so gründlich in Frage gestellt worden waren. Andererseits<br />
mussten diese Normen universalisiert werden, d. h. aus der impliziten Standesethik einer<br />
hauchdünnen Oberschicht musste die Ethik einer breiten, staatstragenden <strong>und</strong> das Ägyptertum<br />
insgesamt repräsentierenden kulturellen Elite, d. h. eine Art ‘Bildung’ werden. Erst das Mittlere<br />
Reich sah sich genötigt, mit dem Projekt der politischen Restauration auch eine gezielte<br />
Bildungspolitik zu betreiben. In diesen Kontext gehört die Verschriftung sozialer Normen.” (ebd.<br />
145) Die jetzt erfolgende detaillierte schriftliche Elaboration der Ma’at-Konzeption der<br />
“konnektiven Gerechtigkeit” verfolgt also das Ziel, den Einzelnen einzubinden in die<br />
gemeinschaftliche Struktur, die - gesellschaftlich wie kosmisch - bewahrt werden muss bei Strafe<br />
des Untergangs.<br />
Auch das Neue Reich schließt sich letztendlich an diese Idee an. Nach der als Katastrophe <strong>und</strong><br />
Bruch erlebten Amarnazeit greift man jetzt Bewusst auf die Autoren des Mittleren Reiches<br />
zurück: “In der Kultur der Ramessidenzeit haben wir es mit einer Gegenwart zu tun, die die<br />
Vergangenheit nicht unreflektiert in sich trägt, sondern sie sichtbar als das Andere ihrer selbst auf<br />
den Sockel eines normativen Vorbilds stellt.” (ebd. 303) Unterstützt wurde dieser in<br />
ramessidischer Zeit stattfindende Prozess einer “Wiederholung der Geburt”, in der Ramses II.