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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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geradezu abgesprochen. 137 Solche Urteile sind zu <strong>und</strong>ifferenziert. Hier wird an einem spezifisch<br />

neuzeitlichen Geschichtsbegriff gemessen, der sich seit der Aufklärung etwa bei Vico <strong>und</strong> Herder<br />

entwickelt hat <strong>und</strong> im Historismus zum Allgemeingut wurde. 138 Geschichte wird seitdem nicht<br />

mehr nur als “Geschichte von etwas” verstanden, sondern auch als “Geschichte an <strong>und</strong> für sich”,<br />

als “Geschichte schlechthin”, die “das gesamte politisch-soziale Beziehungsgeflecht auf dieser<br />

Erde in allen seinen zeitlichen Erstreckungen als ‘Geschichte’ “ 139 begreift. Im Zuge fortschreitender<br />

Säkularisierung, im Zeichen der Französischen Revolution <strong>und</strong> im Bewusstsein<br />

wachsender Freiheit wurde für den neuzeitlichen okzidentalen Menschen anstelle von Gott oder<br />

Schicksal, Vorsehung oder Zufall, Recht oder Macht mehr <strong>und</strong> mehr die Geschichte zur<br />

universalen Berufungsinstanz. Sie wurde nun in einem neuen Verständnis “als Prozess, als<br />

Fortschritt, als Entwicklung oder als Notwendigkeit”, jedenfalls aber als “umfassender<br />

Bewegungsbegriff” gedeutet, der objektiven eigenen Gesetzen zu folgen schien. Subjektiv wurde<br />

sie gleichzeitig zum Aktionsbegriff: “Geschichte als Handlungsfeld <strong>und</strong> Tat, als Freiheit.<br />

Geschichte wird planbar, produzierbar, machbar.” 140<br />

Statt solche fremden Maßstäbe an die Geschichtsauffassung des Alten Orients oder der Antike<br />

heranzutragen <strong>und</strong> sie vor dem Richterstuhl des Historismus als “ahistorisch” im Sinne<br />

“eigentlicher Geschichte” abzuurteilen, muss es vielmehr auch hier darum gehen, das<br />

geschichtliche Denken des Alten Orients <strong>und</strong> der Antike als “geschichtliches Denken sui generis<br />

zu verstehen <strong>und</strong> gelten zu lassen ... “. 141 Erst wenn es aus dem eigenen Kontext ermittelt wird,<br />

kann die jeweilige Besonderheit altägyptischen <strong>und</strong> griechischen Geschichtsdenkens sichtbar<br />

werden, dessen Weiterentwicklung im römischen <strong>und</strong> christlichen Geschichtsdenken schon<br />

innerhalb der Antike sehr verschiedenartige neue Deutungsmuster hervorgebracht hat.<br />

Die Eigenart des altägyptischen Geschichtsdenkens gehört inzwischen wohl zu den<br />

besterforschten Gegenständen des Fachbereiches <strong>und</strong> braucht daher hier nur kurz dargestellt zu<br />

werden. 142 Geschichte erschien demnach, was das Gr<strong>und</strong>sätzliche betrifft, dem Ägypter nicht wie<br />

uns linear gegliedert in Vergangenheit, Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft, sondern er denkt sie als<br />

Geschehen innerhalb einer Zeit, “der der Begriff von Irreversibilität unbekannt ist. Die statische<br />

Ruhe des politischen <strong>und</strong> geographischen Selbstverständnisses des Ägypters, der sich <strong>und</strong> sein<br />

137 Vgl. dazu ablehnend Häussler 1965, 7 f.<br />

138 Vgl. zum Folgenden Kosellek 1975.<br />

139 Ebd. 594.<br />

140 Ebd.<br />

141 Häussler 1965, 8.<br />

142 Vgl. neben den einschlägigen Stellen bei J. Assmann 1975, 1990, 1991, 1992 <strong>und</strong> 1996 vor allem Brunner-Traut<br />

1990, 99-113, Hornung 1966, 1982, 1992 (bes. Kap. 4 <strong>und</strong> 9), Otto 1954 <strong>und</strong> die einschlägigen Artikel im LÄ, bes.<br />

von Wildung (mit weiterer Literatur).

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