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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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- dass das Handeln der Götter nicht als Fremdbestimmung erlebt wurde, sondern als<br />

dialogisch-”lichtgebende”, klärende Hilfe (ähnlich wie später die Einstrahlung der<br />

platonischen Idee oder in der Neuzeit die transzendentale Helle des Bewusstseins), die die<br />

Götter ihren jeweils charakterlich mit ihnen verwandten besonderen Schützlingen<br />

zukommen ließen, ohne dass dies als Überzeugungszwang empf<strong>und</strong>en worden wäre -<br />

vielmehr bedurfte es auf menschlicher Seite der Bereitschaft, sich überzeugen zu lassen;<br />

- dass schließlich diese Gr<strong>und</strong>konstituenten zwar nur die Ausgangsposition der<br />

griechischen Geistesgeschichte darstellen , in deren Verlauf Begriff <strong>und</strong> Vorstellung des<br />

Individuellen <strong>und</strong> der Person noch erheblich schärfer gezeichnet wurden, dass aber bei<br />

Homer doch “vieles bereits substantiell gr<strong>und</strong>gelegt ist, was in der Philosophie <strong>und</strong><br />

Literatur der griechischen Antike später erst zur Entfaltung kam.” 54<br />

Schon diese kurze Skizze macht deutlich, wie diffizil die Sachlage gerade bei der Beurteilung der<br />

Frage ist, ob <strong>und</strong> wann es so etwas wie Individualität in einer Kultur gegeben habe, <strong>und</strong> wie<br />

wichtig es ist, das eigene Vorverständnis <strong>und</strong> die Bedeutung der benutzten Begriffe explizit zu<br />

reflektieren, sie aber andererseits auch nicht zu früh festzulegen - eigentlich eine banale, aber bei<br />

komplexen Begriffen gerade wegen ihrer Komplexität oft nicht hinreichend beachtete<br />

Voraussetzung. Die entscheidende Chance für eine weitergehende Klärung bietet angesichts der<br />

tatsächlichen Schwierigkeit der Begriffe am ehesten ein interkultureller Vergleich, der nicht von<br />

einer normativen Definition der eigenen Zeit ausgeht, sondern die Phänomene in ihrem<br />

jeweiligen Kontext mit offenem Blick für ihre Vergleichbarkeit <strong>und</strong> Verschiedenheit beobachtet.<br />

Um ein Beispiel zu nennen: Selbst wenn es richtig sein sollte, dass mit der frühgriechischen<br />

Lyrik <strong>und</strong> der vorsokratischen Philosophie etwas entscheidend Neues aufbricht <strong>und</strong> sich<br />

Individualität in einer ganz neuen Form konstituiert, so kann man doch nicht so tun, als habe es<br />

vorher keine Individualität gegeben, sondern muss die Unterschiede <strong>und</strong> allmählichen Übergänge<br />

beschreiben <strong>und</strong> vergleichend in ein Verhältnis zu setzen suchen.<br />

“Le genre biographique est le plus anciennement attesté en Egypte.” 55 Macht man sich diesen<br />

Satz in seiner vollen Tragweite klar <strong>und</strong> bedenkt auch, dass gerade aus der literarischen Gattung<br />

der Biographie <strong>und</strong> Autobiographie unter den ägyptischen Texten die meisten Exempla vom<br />

Alten Reich bis in die hellenistisch-römische Zeit erhalten geblieben sind, so kann man sich eines<br />

erheblichen Unbehagens nicht erwehren angesichts jener These, die Individualität erst mit den<br />

Griechen beginnen läßt, bei denen die Biographie <strong>und</strong> erst recht die Autobiographie eine<br />

54 Ebd. 9. Vgl. auch ebd. 302, Anm. 615.<br />

55 v. d. Walle 1975, 815.

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