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2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg

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die Ordnung der Welt aufrecht zu erhalten, erscheinen bei Homer die Trojaner in ebenso<br />

ergreifender <strong>und</strong> verständlicher Weise dargestellt wie die Griechen selbst, sind Gut <strong>und</strong> Böse<br />

nicht in einem Schwarz-Weiß-Schema verteilt.<br />

Die folgende Zeit zeigt eine Ausweitung <strong>und</strong> Vertiefung des historischen Sinns: Die Ausweitung<br />

zeigt sich z. B. im Prozess der “Historisierung des Epos” (E. Schwartz) in den Werken des<br />

epischen Kyklos, wo versucht wird, den mythischen Stoff im Sinne einer umfassenden Vor- <strong>und</strong><br />

Nachgeschichte zu arrondieren <strong>und</strong> zu ordnen, <strong>und</strong> er zeigt sich im Werk Hesiods in der<br />

genealogisch-systematischen Durchdringung der Welt in der “Theogonie” <strong>und</strong> in der Epochen-<br />

Systematik der fünf Menschengenerationen in den “Werken <strong>und</strong> Tagen”. Man könnte von einem<br />

“Urbarmachen der Zeit” sprechen, von dem Bestreben nach Konstituierung eines “wohnlichen”<br />

<strong>und</strong> von der Erinnerung bewohnten Zeit-Raums, ähnlich wie auch der geographische Raum in<br />

dieser Zeit geistig geordnet <strong>und</strong> in der Phase der Kolonisation besiedelt wurde. Diesmal ist es der<br />

von den Musen persönlich inspirierte Dichter, der von ihnen “das Seiende, das Sein-Werdende<br />

<strong>und</strong> das Gewesene” (Theog. 38) erfährt. In beiden Fällen geht es um Beheimatung im<br />

Unwirtlichen, um Identitätsgewinnung im Fremden.<br />

Entscheidend vertieft wurde dieser Historisierungsprozess im Rahmen des zuerst ionischen<br />

Rationalismus, der den <strong>Logos</strong>, das sammelnd rechnende Wort <strong>und</strong> den nüchternen Gedanken an<br />

die Stelle des mythischen Bildes setzte. Unter dem bleibenden Anspruch der Wahrhaftigkeit trat<br />

nun als nicht mehr von den Musen inspirierter “Autor” im eigentlichen Sinne der Schriftsteller<br />

auf, der den Wahrheitsgehalt des eigenen Wortes kritisch zu prüfen hatte. Hekataios aus Milet ist<br />

der erste dieser neuen Prosa-Autoren, denen die Überlieferungen des Mythos vielfältig schillernd<br />

<strong>und</strong> lächerlich erscheinen <strong>und</strong> die daher die mythischen Geschichten zu erden versuchen durch<br />

ihre vorbehaltlose Prüfung an der Realität. Indem er die Messlatte des <strong>Logos</strong> an die<br />

Überlieferungen des Mythos anlegte, brach er - wenn auch selbst noch einem eher naiven<br />

Rationalismus mit “blinden” Kriterien verhaftet - einer neuen Geschichtsauffassung Bahn, die<br />

sich bei der Aufklärung des Geschehenen auf die eigenen Augen <strong>und</strong> Ohren <strong>und</strong> auf das eigene<br />

Urteil verließ <strong>und</strong> der früheren Traditionsgeb<strong>und</strong>enheit den eigenen geistigen Entwurf des<br />

Geschehenen gegenüberstellte.<br />

Während die Ägypter von der Normalität des Chaos <strong>und</strong> der Isfet ausgingen <strong>und</strong> die stete<br />

Bedrohung des Seins durch das Nichtsein in den Griff bekommen wollten durch die In-Gang-<br />

Haltung der Welt im Ritual, was zu einer Dominanz des Zyklisch-Ritualhaften in ihrem<br />

Geschichtsdenken führte, scheinen die Griechen umgekehrt von der Vorstellung einer ruhigen<br />

Ordnung des Seins ausgegangen zu sein <strong>und</strong> daher die Veränderung als erklärungsbedürftig

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