2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
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unterscheidet sich dieses Modell vom israelitischen Monotheismus. Die ägyptischen Götter sind<br />
nicht nur in der Welt, sondern sie sind die Welt. Ihr Zusammenwirken bringt die Welt, d. h. den<br />
Prozess, den wir ‘Kosmos’ nennen, fortwährend hervor. Dazu bedarf es der Ma’at. Sie sorgt für<br />
den Einklang des Zusammenwirkens, der aus dem Widerspiel der Kräfte <strong>und</strong> der Überwindung<br />
gegenstrebiger Energien den Kosmos resultieren lässt.” (34 f.) 13<br />
Assmann geht nun den Spuren der Entwicklung des Ma’at-Gedankens bzw. seinen<br />
unterschiedlichen Ausprägungen <strong>und</strong> Aspekten im Einzelnen nach. Zentral ist dabei immer der<br />
Gedanke der “Rechtfertigung des Handelns, auf individueller, sozialer <strong>und</strong> politischer Ebene.<br />
Gerecht ist, wer in Übereinstimmung mit der Ma’at handelt.” (35) Das Ma’at-Konzept erweist<br />
sich damit als konstitutiv<br />
- im Kontext der Rechtfertigung des einzelnen Menschen, <strong>und</strong> zwar im Horizont des<br />
diesseitigen Lebens, im Horizont der nachtodlichen Fortdauer im Gedächtnis der<br />
Nachwelt (beides besonders im Alten Reich) <strong>und</strong> im Horizont des Jenseits <strong>und</strong> des<br />
Totengerichts (seit der Ersten Zwischenzeit)<br />
- im Kontext der Rechtfertigung der pharaonischen Herrschaft <strong>und</strong><br />
- im Kontext der Rechtfertigung Gottes qua Einheit von Schöpfer-, Sonnen- <strong>und</strong><br />
Reichsgott.<br />
“Alles in der Welt <strong>und</strong> die Welt selbst ist für ihren Fortbestand auf die Ma’at angewiesen, nichts<br />
vermag sich aus sich selbst heraus auf Dauer zu erhalten. Daher umfasst der Begriff Ma’at<br />
sämtliche Bereiche der ägyptischen Wirklichkeit: Götterwelt <strong>und</strong> Menschenwelt, Kosmos <strong>und</strong><br />
Staat, Gesellschaft <strong>und</strong> Individuum.” (37) Alle diese Bereiche sind nur “Aspekte eines<br />
untrennbaren Gesamtzusammenhangs”, dessen Komplexität 14 seine Besonderheit ausmacht - <strong>und</strong><br />
zugleich seine Grenzen markiert. Denn es “wird klar, dass es in Ägypten keine Diskurse gibt, die<br />
einen Bereich der Wirklichkeit um seiner selbst willen, d. h. unter seinem spezifischen Aspekt<br />
behandeln, also z. B. den Kosmos unter kosmologischem, den Staat unter<br />
politikwissenschaftlichem, die Gesellschaft unter soziologischem, den Menschen unter<br />
anthropologischem <strong>und</strong> so auch die Götter unter theologischem Aspekt. Dieser Diskurstyp<br />
erscheint in der Alten Welt als eine Errungenschaft der Griechen.” (37)<br />
13 Vgl. zu diesem Thema auch Hornung 1992, 33 ff. <strong>und</strong> ebd. 88: “Immer bleibt im Ägypter das Bewusstsein<br />
lebendig, dass die Welt schöpferisch verändert werden kann, dass sich jeder negative <strong>und</strong> unvollkommene Zustand in<br />
Richtung auf die ursprüngliche Vollkommenheit der Schöpfung verbessern lässt.”<br />
14 Vgl. auch die graphische Übersicht zu den verschiedenen Bereichen der Wirklichkeit, Aspekte <strong>und</strong><br />
Sinndimensionen der Ma’at in J. Assmann 1990, 38.