2. Ma'at und Logos. - Vergleichende - Dittmer, Jörg
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Verschiebungen der staatlichen Ordnung, die am ehesten als Verlagerung vom traditionellen<br />
“hypotaktischen” Modell der pharaonischen Herrschaft, “das Einheit auf der Ebene der<br />
Herrschaft <strong>und</strong> Differenzierung auf der Ebene der Funktionen vorsieht”, zum neuen<br />
“parataktischen” Modell beschrieben werden kann, “das ein Nebeneinander auf der Ebene der<br />
Herrschaft <strong>und</strong> Einheit auf der Ebene der Funktionen vorsieht.” (331 f.) Am Ende des Neuen<br />
Reiches kommt es zu Ämterhäufungen <strong>und</strong> einem plurizentrischen Verband von Kleinstaaten. Im<br />
Epos des Piye (747-716 v. Chr.) wird sogar die neue plurizentrische <strong>und</strong> polyarchische Situation<br />
normativ gerechtfertigt. Aus der religiös-hierarchischen Einbindung jedoch begibt auch er sich<br />
nicht heraus, es verschieben sich nur die Akzente: “Piye tritt nicht als der traditionelle Gottkönig<br />
auf, die Verkörperung einer zeitlosen Identität, sondern als der Priester-Feldherr der Dritten<br />
Zwischenzeit, dessen individuelle Identität sich aufgr<strong>und</strong> seiner Pietas <strong>und</strong> Tatkraft als<br />
gottgesegnet <strong>und</strong> in diesem Sinne göttlich erweist.” (368) Diese Verschiebung hin zur<br />
Legitimierung durch gottgesegnete Leistung erinnert von ferne an die aäreth´-Idee der Griechen,<br />
führt jedoch anders als bei diesen zu einer noch stärkeren religiösen Absicherung, die man z. B.<br />
an den zahlreichen neuen Tabu- <strong>und</strong> Reinheitsvorschriften ablesen kann, die Piye für die<br />
Audienzordnung des Palastes entworfen hat: “Das Gewicht, das Piye auf seine Frömmigkeit,<br />
seine religiösen Stiftungen <strong>und</strong> seine kultischen Handlungen legt, entspricht zwar der<br />
pharaonischen Tradition, die den König immer als Feldherrn <strong>und</strong> Kultherrn darstellt, aber sie geht<br />
doch noch einen entschiedenen Schritt darüber hinaus in eine Richtung, die durch die für die<br />
Dritte Zwischenzeit charakteristische Personalunion von Militärführer <strong>und</strong> Hohenpriester<br />
gekennzeichnet ist.” (370)<br />
Den Abschluss der Entwicklung bilden schließlich messianistische Texte wie das “Töpferorakel”,<br />
die sich aus der Erfahrung der Fremdherrschaft heraus eng an frühere Chaosbeschreibungen<br />
anlehnen, die aber die Rolle des Heilskönigs, die Bestrafung des Unrechts <strong>und</strong> die Vertreibung<br />
der Unterdrücker nicht mehr wie traditionell dem amtierenden König zuschreiben, weil die<br />
Bedrohung jetzt ganz im Gegenteil zur klassischen Lehre nicht von unten, sondern “in Gestalt<br />
schlechter, gesetzvergessener Könige” von oben zu kommen scheint: “Den König als lebende<br />
Verkörperung der göttlichen Herrschergewalt <strong>und</strong> als ‘Inkorporationsexemplar’ des Gottes Horus<br />
brauchen sie [sc. die Ägypter] jetzt nicht mehr. Diese Funktionen einer lebenden<br />
Vergegenwärtigung des Göttlichen werden jetzt von den heiligen Tieren wahrgenommen. Die<br />
Priester haben die Dinge längst selbst in die Hand genommen. Sie sorgen mit dem täglichen<br />
Operritual dafür, dass die Opfertische der Götter niemals leer sind <strong>und</strong> die Trankspenden<br />
regelmäßig fließen. Sie sorgen durch die Rezitation der Sprüche gegen Seth <strong>und</strong> Apophis dafür,<br />
dass kein Bürgerkrieg <strong>und</strong> Aufruhr entstehen <strong>und</strong> keine Feinde von außen in Ägypten einfallen.<br />
Sie führen die Osiris-Zeremonien durch <strong>und</strong> bewirken, dass die Gesetze in Kraft bleiben <strong>und</strong> die