Bild - Verband Bildungsmedien eV
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schiedliches Schulformangebot, dass nicht zwei Bundesländer<br />
eine identische Schulstruktur besitzen. So gibt es u. a. im Zeitraum<br />
der Sekundarstufe I neben Hauptschule, Realschule und<br />
Gymnasium ebenso integrierte und additive Gesamtschulen,<br />
Regionalschulen, Haupt-/Realschulen, erweitere Realschulen,<br />
Verbundschulen, organisatorische Schulverbünde, Regelschulen,<br />
differenzierte Mittelschulen und Sekundarschulen, künftig<br />
vielleicht auch noch Stadtteilschulen und Gemeinschaftsschulen.<br />
Diese Vielfalt trägt einerseits den unterschiedlichen Begabungen,<br />
Fähigkeiten und Neigungen der Schülerinnen und<br />
Schüler Rechnung, andererseits den ökonomischen Möglichkeiten<br />
und schülerzahlbedingten Erfordernissen.<br />
Zielsetzung muss u. a. sein, der individuellen Förderung gerecht<br />
zu werden, <strong>Bild</strong>ungschancen optimal zu nutzen, Durchlässigkeit<br />
horizontal wie vertikal zu garantieren, Schulformprofile<br />
auszuschärfen und die Schulqualität zu steigern.<br />
3. Entscheidend ist die Leistungsfähigkeit eines Schulsystems.<br />
Dabei stellen Strukturen entscheidende Rahmenbedingungen<br />
dar. Doch schaffen – so die Lehre aus sämtlichen Studien –<br />
nicht bereits Strukturveränderungen per se die besseren Ergebnisse.<br />
Veränderung an sich ist kein Wert. Es muss um eine Optimierung<br />
in den Strukturen gehen. Zu den wesentlichen Voraussetzungen<br />
für eine gelingende <strong>Bild</strong>ungspolitik gehören u. a. ein<br />
umfassendes gesellschaftspolitisches Verständnis für den Wert<br />
von <strong>Bild</strong>ung, besserer, das heißt effizienterer Unterricht, größere<br />
Anstrengungskultur und mehr Leistungsbereitschaft, eine<br />
sachangemessene Erwartungshaltung gegenüber der Schule,<br />
eine funktionierende <strong>Bild</strong>ungspartnerschaft zwischen Eltern,<br />
Schülern und Lehrkräften, akzeptierte pädagogische Schwerpunktsetzungen<br />
und nicht zuletzt eine gerechte und dadurch<br />
motivierende Behandlung der Lehrerinnen und Lehrer. Strukturdebatten<br />
hingegen verselbstständigen sich, lenken ab, etikettieren<br />
nicht selten Schulformbezeichnungen um, binden<br />
Kräfte, blenden oftmals erforderliche Qualitätsdiskussionen aus<br />
und lösen nicht die entscheidenden Probleme.<br />
4. Der Rückgang der Hauptschul-Akzeptanz in Nordrhein-Westfalen<br />
hat unterschiedliche Motive. Die Situation stellt sich in<br />
anderen Bundesländern durchaus anders dar (in Bayern ca.<br />
1600 Hauptschulen, in Baden-Württemberg ca. 1200, in Nordrhein-Westfalen<br />
ca. 700; bundesweit ca. 5000). Die Hauptschule<br />
leidet nicht zuletzt an ihrem Image, an jahrzehntelanger<br />
schulpolitischer Vernachlässigung und am Schlechtgeredet-Werden,<br />
an inakzeptablen Rahmenbedingungen und an fehlender<br />
Profilierung gegenüber anderen Schulformen. In NRW setzt die<br />
Landesregierung mit zusätzlichen Lehrereinstellungen, mit der<br />
Aufwertung der inhaltlichen Arbeit, mit Ganztagsschulangeboten<br />
und dem klaren Bekenntnis zur Schulvielfalt einen notwendigen<br />
Schwerpunkt pro Hauptschule.<br />
Das alles schließt nicht aus, dass in bestimmten Regionen infolge<br />
eines extremen Schülerrückgangs einzelne Schulstandorte<br />
nicht gesichert sind. Intelligenten Lösungen werden sich alle<br />
Betroffenen kaum entziehen können. Allerdings muss der Schülerrückgang<br />
in NRW vorrangig dazu genutzt werden, um vernünftige<br />
Rahmenbedingungen zu erreichen (keine übergroßen Klassen,<br />
unzumutbaren Betreuungsrelationen, überzogenen Anforderungen<br />
an Lehrkräfte, übergroßen Systeme etc.).<br />
5. Ein generelles Zwei-Wege-Modell löst nicht die Probleme.<br />
Abgesehen davon, dass die Kräfte, die für integrierte Systeme<br />
streiten, dieses Modell als inkonsequent ablehnen (vgl. Hamburg,<br />
NRW), sind die Qualitätsfragen damit nicht automatisch beantwortet<br />
und die Förderkonzepte in kleineren, überschaubaren<br />
Einheiten nicht unmittelbar gegeben. Kernprobleme beispielsweise<br />
von Hauptschulen verschwinden damit nicht, wenn sie<br />
mit weiteren Problemkomplexen anderer <strong>Bild</strong>ungsgänge verknüpft<br />
und vermengt werden. Daher empfehle ich flexible Lösungen<br />
dort, wo andere Optionen ausgeschöpft sind. Entscheidend<br />
sind Förderung und Forderung jeder einzelnen Schülerin<br />
und jedes einzelnen Schülers. Qualitätsfragen vor Strukturfragen!<br />
Schulvielfalt vor Schuleinfalt!<br />
STATEMENT<br />
Wolfgang Meyer-Hesemann<br />
Ich bin gerade gefragt worden, ob die Hauptschule in Schleswig-Holstein<br />
tot ist, und ich würde sagen: Tot ist sie nicht,<br />
denn wir haben noch ganz viele Hauptschulen, ja wir sind vielleicht<br />
eines der Länder mit den meisten Hauptschulen und mit<br />
dem höchsten Prozentsatz von Schülern, die diese besuchen.<br />
Wir haben seit Anfang des Jahres ein neues Schulgesetz, und<br />
das besagt ganz klar, dass die Hauptschule eine auslaufende<br />
Schulart ist, die es ab 2010 nicht mehr geben wird. Wenn ich<br />
ein bisschen erzähle über den Prozess, der dazu geführt hat,<br />
finde ich es ganz wichtig, immer im Hinterkopf zu behalten,<br />
dass Schularten nur einen institutionellen Rahmen darstellen.<br />
Der Kern, um den es eigentlich geht, ist aber, dass wir Unterricht<br />
verändern, dass wir Schule insgesamt verändern, also<br />
Unterrichtsentwicklung, Schulentwicklung, all das, was wir im<br />
Vorhinein mit Herrn Klippert und anderen diskutiert haben.<br />
Nur mit Schulform-Änderungen bewirken wir gar nichts. Hier<br />
ein neues Schild davorzuhängen verändert nicht das Geringste.<br />
Ich glaube, dass der Handlungsdruck in ganz Deutschland<br />
inzwischen so groß ist, dass wir überall massive Veränderungen<br />
in der Schulstruktur bekommen werden. In vielen Ländern ist<br />
das bereits im Gange. Sie lesen, was in Schleswig-Holstein passiert<br />
ist, Sie lesen, was in Hamburg diskutiert wird usw., es gibt<br />
eigentlich überall Veränderungen. Und die Auslöser sind überall<br />
die gleichen. Das ist zum einen die demografische Entwicklung.<br />
Bei uns im Land müssen wir bei den Schülerzahlen mit einem<br />
Rückgang von 25 bis 30 Prozent bis 2015 rechnen. Wie will man<br />
unter solchen Bedingungen dann noch ein möglichst wohnortnahes<br />
flächendeckendes <strong>Bild</strong>ungsangebot für alle Kinder, das<br />
auch qualitativ hochwertig ist, bereitstellen? Das bedeutet,<br />
dass man auch die institutionelle Struktur infrage stellen muss.<br />
Das zweite Phänomen besteht darin, dass wir die <strong>Bild</strong>ungs-<br />
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