Bild - Verband Bildungsmedien eV
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STATEMENT<br />
Rainer Domisch<br />
Ich möchte zunächst auf die hier angesprochenen Schulängste<br />
zu sprechen kommen. Natürlich gibt es, solange es Menschen<br />
gibt, auch menschliche Ängste, das hat zunächst einmal nichts<br />
mit Schule zu tun. Es muss nur unsere Frage sein, inwieweit<br />
Schule Ängste verursacht. Im Hinblick auf die Fragestellung, ob<br />
wir eine neue Aufgabenteilung brauchen, möchte ich zunächst<br />
darauf hinweisen, dass die Aufgabenteilung zwischen Schule<br />
und Elternhaus bei der Sozialisation von Kindern und jungen<br />
Erwachsenen schon immer vorhanden ist. Was sich ändert, ist<br />
die Umgebung, ist die Gesellschaft, auf die wir neue Antworten<br />
brauchen. Und wenn in einer Gesellschaft wenig Sensibilität<br />
vorhanden ist für diese Anforderungen, dann gibt es Probleme<br />
und Ängste. Bei der <strong>Bild</strong>ungsplanung sollte man sich nicht an<br />
vergangenen Strukturen orientieren, sondern daran, welche<br />
Anforderungen und Qualitätsansprüche auf die Generation, die<br />
heute eingeschult wird, morgen zukommen. Wenn ich nach<br />
Deutschland komme, habe ich häufig den Eindruck, dass man<br />
sich hier im Gegensatz zu Finnland immer noch an vergangenen<br />
Jahrzehnten orientiert. Eine optimistische Grundhaltung und<br />
eine Orientierung an der Zukunft machen den großen Erfolg<br />
des finnischen Schulsystems aus. Freilich gibt es auch dort<br />
immer noch Probleme, man spricht im Übrigen mehr über Probleme<br />
als über Erfolge, aber man weiß sich auf dem richtigen<br />
Weg und hat vor Jahrzehnten Schulreformen angepackt, die<br />
sich damals in den 1960er-Jahren an den Erfordernissen des Jahres<br />
2000 orientiert haben. Momentan arbeiten wir an den Planungen<br />
für das Jahr 2020. Man darf sich nicht zufrieden zurücklehnen,<br />
sondern muss eben versuchen, die junge Generation<br />
auf das Jahr, in dem sie in den Beruf eintreten wird, vorzubereiten.<br />
Defiziten der Kinder den Eltern zuschiebt und dass diese neben<br />
den Steuern Nachhilfestunden bezahlen müssen, und zwar<br />
anscheinend, auch das halte ich für sehr erschreckend, ohne zu<br />
murren. In anderen Ländern würden Eltern das keinesfalls mittragen<br />
oder sich damit abfinden. Mit diesem Thema müsste<br />
man in die Schulen gehen. <strong>Bild</strong>ungsplanung muss also dafür sorgen,<br />
dass die Schule individuelle Förderung nicht vom Wohlwollen<br />
der Lehrer abhängig macht, sondern dass sie systematisch<br />
in das System eingebaut wird. Solche individuellen Förderungsmaßnahmen,<br />
die natürlich strukturelle Reformen voraussetzen,<br />
wirken vertrauensbildend und führen weg von einem<br />
Kontrollverhältnis zwischen Schule und Elternhaus.<br />
Man müsste zunächst per Gesetz entsprechende Strukturen<br />
schaffen, die die Menschen – etwas salopp gesagt – zu ihrem<br />
Glück zwingen. Wenn die Schule die Möglichkeit hat, Schüler<br />
abzuweisen mit der Begründung, sie gehörten aufgrund ihrer<br />
Noten nicht in diese Schulform, dann schafft das immer Angst,<br />
Misstrauen und ein Gegeneinander. Wenn aber in einer Schule<br />
jeder Schüler angenommen werden muss und dort Fantasie,<br />
Kompetenz und die gesamte Kraft und Fantasie derer, die in der<br />
Schule arbeiten, dazu dienen, den einzelnen Schüler so weit zu<br />
bringen, wie nur möglich, und ihm bis zur 9. Klasse, wie es in<br />
Finnland gefordert wird, keinerlei Weiterbildung verschließt,<br />
dann entsteht Vertrauen. Es wird niemand aussortiert. Es gibt<br />
in Finnland außer dem Zentralabitur nicht eine einzige schulische<br />
Abschlussprüfung. Neben den Zeugnissen gibt es sehr viele<br />
Elterngespräche, die nicht als Information an die Eltern eines<br />
Klassenverbandes ablaufen, sondern sich an der individuellen<br />
Förderung orientieren. Daher sind nicht nur Lehrer daran beteiligt,<br />
sondern nach Bedarf auch Schulpsychologen, Sozialarbeiter<br />
und Mediziner. All das spielt eine große Rolle, und in diesem<br />
gesamten <strong>Verband</strong> fühlen sich die Schüler, aber auch die Eltern<br />
aufgehoben. In vielen Evaluationen hat man festgestellt, dass<br />
„Wenn ich in Deutschland auf das Verhältnis Elternhaus und Schule schaue, dann sind für<br />
mich die vier Milliarden Euro, die jedes Jahr für außerschulische Nachhilfe ausgegeben werden,<br />
ein ganz erschreckender Indikator. Ich finde es skandalös, dass die Schule den Umgang<br />
mit den Defiziten der Kinder den Eltern zuschiebt und dass diese neben den Steuern Nachhilfestunden<br />
bezahlen müssen, und zwar anscheinend, auch das halte ich für sehr erschreckend,<br />
ohne zu murren.“<br />
Wenn man eine effektive <strong>Bild</strong>ungsplanung machen will, die sich<br />
an dem Dreieck Qualität, Chancengleichheit bzw. Gerechtigkeit<br />
allgemein und Effizienz orientiert, dann braucht man eine<br />
ganze Reihe wichtiger Indikatoren. Wenn ich in Deutschland<br />
auf das Verhältnis Elternhaus und Schule schaue, dann sind für<br />
mich die vier Milliarden Euro, die jedes Jahr für außerschulische<br />
Nachhilfe ausgegeben werden, ein ganz erschreckender Indikator.<br />
Ich finde es skandalös, dass die Schule den Umgang mit den<br />
Kinder, je weniger sie früher Konkurrenz und frühem Konkurrenzdenken<br />
bei der schulischen Leistung ausgesetzt sind, umso<br />
besser gestärkt werden für spätere fachliche Kompetenz und<br />
Konkurrenz im Erwachsenenleben.<br />
Eltern sollten auf sich ankündigende Probleme bereits im Kleinkindalter<br />
aufmerksam gemacht werden. Ich war vor Kurzem<br />
beim Großelterntag in der Kindertagesstätte meiner einen<br />
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