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Bild - Verband Bildungsmedien eV

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Aber es geht auch um Gesundheitspolitik, um Wohnungspolitik<br />

und um Innenpolitik. Das alles sind auch integrationspolitische<br />

Fragestellungen und eben nicht nur soziale.<br />

Wie aber schaffen wir es, ein Integrationskonzept in die Gegenwart<br />

zu bringen? Das alte Integrationskonzept der Bundesrepublik<br />

war Integration durch Arbeit. Wir hatten freie Stellen mit<br />

einfach anzulernenden Tätigkeiten anzubieten und haben dafür<br />

Menschen gesucht. Diese Tätigkeiten gibt es heute immer weniger<br />

und wird es zukünftig noch viel weniger geben. Das neue<br />

Integrationskonzept müsste also heißen: Integration durch <strong>Bild</strong>ung.<br />

Nur <strong>Bild</strong>ung kann heute noch Arbeit ermöglichen. Die<br />

wissensbasierten Jobs werden zunehmen, und wenn wir heute<br />

die zukunftsrelevanten Berufe anschauen, IT-Berufe etwa, dann<br />

sind Zuwanderer dort unterrepräsentiert. Das hat auch damit<br />

zu tun, dass sie sich beim Aufstieg mittels <strong>Bild</strong>ung viel schwerer<br />

tun. Oft werden diese Zuwanderer aber auch aufgrund des<br />

dem Generalkonsul, wird ihm simultan übersetzt, weil er kein<br />

Deutsch spricht. Das werfe ich ihm keineswegs vor, denn er ist<br />

Beamter und Diplomat. Und da er demnächst in ein anderes<br />

Land versetzt wird, braucht er kein Deutsch zu lernen. Man<br />

übersetzt ihm Integration mit „uyum“, aber „uyum“ heißt gar<br />

nicht Integration. Für Integration gibt es im Türkischen kein<br />

genau treffendes Wort. „Uyum“, was ihm übersetzt wird, heißt<br />

Anpassung. Ich habe gar nicht Anpassung gesagt, ich habe Integration<br />

gesagt, aber man übersetzt ihm Anpassung. Insofern<br />

sieht man, dass wir bei der Wortwahl beginnen müssen, wenn<br />

wir eine Debatte führen wollen, die nicht ausgrenzt, sondern<br />

einlädt. An diesen beiden Beispielen lässt sich deutlich machen,<br />

wo wir etwas nachzuholen haben in Deutschland.<br />

Wir haben weiterhin das große Problem, dass Zuwanderer<br />

selbst mit einem guten Hauptschulabschluss auf dem Ausbildungsmarkt<br />

wenig Chancen haben. Das gilt zwar nicht nur für<br />

„Das alte Integrationskonzept der Bundesrepublik war Integration durch Arbeit. Wir hatten<br />

freie Stellen mit einfach anzulernenden Tätigkeiten anzubieten und haben dafür Menschen<br />

gesucht. Diese Tätigkeiten gibt es heute immer weniger und wird es zukünftig noch viel weniger<br />

geben. Das neue Integrationskonzept müsste also heißen: Integration durch <strong>Bild</strong>ung.<br />

Nur <strong>Bild</strong>ung kann heute noch Arbeit ermöglichen.“<br />

Nachnamens, aufgrund einer Adresse aus Bewerbungsverfahren<br />

einfach aussortiert. Das sind doch die Fragen, über die wir zu<br />

sprechen haben.<br />

Ich will noch einmal deutlich etwas zu dem Punkt Nationalpreis<br />

sagen: Ich habe weder mit Auszeichnungen ein Problem noch<br />

mit dem Begriff Nationalpreis. Niemand käme auf den Gedanken,<br />

irgendwo auf der Welt die Nationalbibliothek umzubenennen<br />

oder Ähnliches. Ich denke, wir führen hier eine sehr merkwürdige<br />

Debatte. Ich glaube trotzdem, dass das, was Frau<br />

Steinkamp in ihrer Schule getan hat, zur Verbesserung der Kommunikation<br />

beitragen konnte. Aber es ist auch ein Beispiel,<br />

anhand dessen man sieht, wie ein Sachverhalt völlig unterschiedlich<br />

wahrgenommen wird. Frau Steinkamp, Sie haben<br />

gesagt, es sei keine Pflicht gewesen, sondern eine Verpflichtung.<br />

Freiwillig haben die Beteiligten beschlossen, sich auf<br />

Deutsch als gemeinsame Sprache zu verpflichten. Die türkischen<br />

Zeitungen aber haben nicht gesagt Deutsch-Verpflichtung,<br />

sie haben gesagt Türkisch-Verbot. So wird es wahrgenommen.<br />

Insofern wird daran sichtbar, wie die gleichen Sachverhalte<br />

bisweilen völlig unterschiedlich gedeutet werden.<br />

Auch sind die Auffassungen von Integration völlig verschieden.<br />

Es gibt keinen einheitlichen Begriff dafür. Wir reden alle über<br />

Integration und meinen eben nicht Assimilation. Wenn ich<br />

einem türkischen Verhandlungspartner gegenübersitze, z. B.<br />

Zuwanderer, sondern auch für viele andere junge Menschen,<br />

aber es gilt verstärkt für Zuwanderer. Wir haben heute bundesweit<br />

weniger junge Menschen mit Zuwanderungshintergrund<br />

in Ausbildung als noch vor zehn Jahren. Sie gehören zu den Verlierern,<br />

Jungen wie Mädchen. Ich halte das für dramatisch. Das<br />

<strong>Bild</strong>ungssystem muss besser werden, keine Frage. Bis zur Pisa-<br />

Studie, haben wir Deutschen geglaubt, wir hätten das beste <strong>Bild</strong>ungssystem<br />

der Welt, und dann haben wir gemerkt, dass wir<br />

allenfalls im Mittelfeld liegen. Es gab schlaue Leute, die sagten,<br />

wenn wir alle Ausländer aus der Statistik herausrechnen würden,<br />

wären wir wieder Weltmeister. Ich sage Ihnen aber, wenn<br />

wir die Ausländer herausrechneten, wären wir nicht hinter<br />

Mexiko, sondern vor Mexiko. Aber das ist nicht die Perspektive,<br />

die wir anstreben.<br />

Dazu noch zwei Gedanken: Erstens stört mich grundsätzlich bei<br />

der Debatte, dass wir, wenn wir über Integration reden, am<br />

Ende Türken meinen. Als wäre das die Gruppe mit allen Problemen,<br />

und die anderen hätten keine. Das verzerrt unsere Debatte.<br />

Zweitens gebe ich Ihnen völlig recht darin, dass die Akzeptanz<br />

von Sprachen bei uns völlig unterschiedlich ist. Wenn<br />

jemand Deutsch und Englisch spricht, ist er mittlerweile Standard<br />

oder international, wenn jemand Deutsch und Französisch<br />

spricht, dann ist das erotisch, wenn jemand Deutsch und Italienisch<br />

spricht, ist das schick, wenn jemand Deutsch und Türkisch<br />

spricht, dann ist das in den Augen vieler Mist. Und wenn<br />

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