Bild - Verband Bildungsmedien eV
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Ich war letzte Woche in Finnland und habe mir vieles angesehen.<br />
Ich glaube, ich bin ein Stück weit dem Geheimnis nähergekommen,<br />
warum in den Schulen in Finnland mitunter mehr<br />
gelingt, als es in Deutschland und in anderen Ländern der Erde<br />
der Fall ist. Von 1000 Bewerbern, die Lehrer werden wollen,<br />
werden dort nur 100 genommen, und sie werden danach ausgesucht,<br />
wie sie mit Jugendlichen umgehen können, ob sie<br />
Erfahrungen aus der Jugendarbeit mitbringen. Bei der Zulassung<br />
zur Universität werden sie darauf geprüft, ob sie zuhören<br />
und auf die Argumentation anderer eingehen können. Und im<br />
Kultusministerium von Helsinki durfte ich mit Freude vernehmen,<br />
dass die 13- bis 15-Jährigen in Finnland auf die Frage, welchen<br />
Beruf sie am liebsten ergreifen möchten, seit vielen Jahren<br />
konstant sagen: „Ich möchte Lehrerin oder Lehrer werden.“<br />
Offenbar hat man hier eine ganz andere Form des Bezuges vom<br />
Lehrer zum Schüler, und das ist für mich entscheidend.<br />
die Schule natürlich auch an ihre Grenzen stößt. Ich sehe<br />
jedoch umso mehr die Notwendigkeit zu fragen, was diesen<br />
jungen Menschen fehlt, dass es so weit kommt. In dem Fall<br />
offenkundig die Liebe des Elternhauses. Ich möchte nicht wissen,<br />
wie oft der Schüler von seinem Vater verprügelt worden<br />
ist. Es fehlt Liebe, es fehlt Zuwendung, es fehlt Zeit, es fehlt<br />
Beziehung und vieles mehr. Und das, meine sehr verehrten<br />
Damen und Herren, meine ich mit „Personen stärken“. Denn<br />
wenn ein Mensch sich nicht wohlfühlt in seiner Haut, hat er<br />
auch nicht den Kopf frei, zu lernen und damit das an Fachwissen<br />
einzubringen, was man braucht.<br />
Wir können es uns nicht leisten, schlechte Lehrer einzusetzen,<br />
um es unmissverständlich zu sagen. Doch dazu muss es uns<br />
gelingen, in diesem Land den Lehrerberuf wieder attraktiver zu<br />
machen. Es kann doch nicht sein, dass nach Pisa in unserem<br />
Land alle die <strong>Bild</strong>ung stärken wollen, aber nicht bereit sind,<br />
denen den Rücken zu stärken, die die <strong>Bild</strong>ung vermitteln, nämlich<br />
den Lehrern. In Deutschland fällt für meinen Geschmack die<br />
Gesellschaft den Lehrern zu sehr in den Rücken, anstatt sie zu<br />
stärken. Wir brauchen wieder ein anderes Lehrerbild. Wo ich<br />
„Bei der Auswahl junger Lehrkräfte müssen wir diejenigen zum Lehramt zulassen, die mit jungen<br />
Menschen umgehen können. Ich stimme hier meinem Vorredner durchaus zu, dass es für<br />
eine Lehrkraft noch wichtiger ist, eine Beziehung herzustellen als zu erziehen. Diese Beziehungsfähigkeit<br />
ist wichtig, die Fähigkeit zuzuhören ist wichtig und darüber hinaus das Einfühlungsvermögen.“<br />
Nur wenn der Bezug, vom Lehrer zum Schüler gelingt, nur<br />
wenn die emotionale Brücke stimmt zwischen dem Lehrenden<br />
und dem Lernenden, können die Inhalte transportiert werden,<br />
die wir als Fachwissen bezeichnen. Für mich ist der ganz entscheidende<br />
und zentrale Punkt, dass eine solche Zuwendung<br />
vorhanden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Bayern<br />
ist ohne Zweifel vieles intakt und in Ordnung, und wir sind<br />
stolz auf unsere Pisa-Ergebnisse. Das ist überhaupt keine Frage.<br />
Aber wir wissen auch, dass derjenige, der aufhört, besser sein<br />
zu wollen, aufgehört hat, gut zu sein. Für mich ist für das Gutsein<br />
noch weit entscheidender, dass dieser Bezug zwischen dem<br />
Lehrer und dem Schüler funktioniert, unter Einbeziehung auch<br />
der Eltern. Der Dreiklang zwischen Elternhaus, Kindern und<br />
Lehrkräften muss funktionieren.<br />
Ich habe in dieser Woche drei Nürnberger Hauptschulen<br />
besucht, wo es zu Gewalttaten gekommen ist. Die eine ist<br />
wahrscheinlich auch hier in Nordrhein-Westfalen durch die<br />
Medien gegangen. Schüler und Jugendliche hatten sich mit<br />
einem Polizisten geprügelt. Im Fall eines 14-Jährigen, der mehrfach<br />
straffällig und gewalttätig geworden war und von der Polizei<br />
in Gewahrsam genommen wurde, kam der Vater in die Schule,<br />
riss der Putzfrau den Schrubber aus der Hand, zerbrach den<br />
Schrubber über dem Knie und wollte mit dem Stiel auf den Polizisten,<br />
der für Ordnung gesorgt hatte, losgehen. Meine sehr<br />
verehrten Damen und Herren, hier ist ein Punkt erreicht, wo<br />
kann, kämpfe ich gegen Vorurteile, die gegen Lehrkräfte<br />
gepflegt werden. Ich war selber Lehrer, und ich weiß, dass wir<br />
in jedem Lehrerzimmer einige sitzen haben, von denen ich mir<br />
auch wünschte, dass sie einen anderen Beruf ergriffen hätten.<br />
Aber die meisten Lehrkräfte sind hoch engagierte und tüchtige<br />
Leute, die Zuspruch vonseiten der Öffentlichkeit und durch die<br />
Eltern bräuchten.<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn in Finnland<br />
Jugendliche und Erwachsene als Lieblingsberuf Lehrer angeben,<br />
warum gelingt dies nicht bei uns? Irgendetwas hat sich hier<br />
verschoben, zu Ungunsten der Erkenntnis, dass ein Land<br />
eigentlich seine besten Leute in die Ausbildung der nächsten<br />
Generation schicken müsste. Die Besten eines Landes müssten<br />
eigentlich diejenigen sein, die die nächste Generation erziehen.<br />
Deshalb müssen wir unbedingt eine Offensive für den Lehrerberuf<br />
starten. Es liegt nicht allein an der Bezahlung (die finnischen<br />
Lehrer verdienen um ein Drittel weniger), es liegt an der<br />
mangelnden öffentlichen Anerkennung, und diese öffentliche<br />
Anerkennung muss ein Stück weit wieder her, um gute Lehrkräfte<br />
anzuziehen. Was ich an dieser Stelle unbedingt sagen<br />
will: Es braucht eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern<br />
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