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Bild - Verband Bildungsmedien eV

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streckt sich und hat keine klaren Ausgänge mehr, weil eben<br />

Unsicherheit besteht, ob man eine Lehrstelle bekommt, ob man<br />

einen Beruf erlernen kann.<br />

Auch das hat die Shell-Studie erbracht: Es existiert ein hohes<br />

Angstniveau. 50 Prozent der Befragten haben Ängste, Furcht<br />

muss man eigentlich sogar sagen, dass sie nicht in den Arbeitsmarkt<br />

hineinkommen – eine schreckliche Ungewissheit. Und<br />

das führt mit zu einer politischen Abstinenz und zu dem untergründigen<br />

Gefühl, dass die Politikerinnen und Politiker nicht in<br />

der Lage sind, diejenigen Probleme zu lösen, die die junge<br />

Generation beschäftigen. Trotz dieser apathischen und zurückhaltenden<br />

Mentalität herrscht eine noch sehr konstruktive<br />

Stimmung, aber die kann jederzeit umschlagen. Nach der letzten<br />

Shell-Jugendstudie zu urteilen, befinden wir uns auf der<br />

Kippe. Die jungen Männer zumal halten es nicht mehr lange<br />

Das Thema Chancengerechtigkeit, das Thema Leistung wäre in<br />

Deutschland nie aufgekommen ohne die Außensicht der Vergleichsstudien<br />

und -tests, aber ich gebe Herrn Eckinger recht:<br />

Es gibt in Deutschland ein zunehmendes Missverhältnis zwischen<br />

Tests und ihrer intelligenten Nutzung, und das muss man<br />

wieder in Gleichklang bringen. Wir müssen uns die Frage stellen,<br />

wie man die Informationen, die wir aus solchen Tests<br />

gewinnen, den Leuten, die tagtäglich im Unterrichtsgeschehen<br />

stehen, nutzbar und verfügbar macht.<br />

Dafür kann und muss man sehr viel tun; wir müssen hier ein<br />

deutlich besseres Verhältnis finden zwischen einerseits dem<br />

Evaluationssystem und andererseits Unterstützungssystemen.<br />

Wenn sich das Missverhältnis jedoch weiter so entwickelt wie<br />

bislang, gibt es mehrere Konsequenzen, über die wir uns Sorgen<br />

machen müssen.<br />

„Die Pisa-Ergebnisse sind so zu interpretieren, dass wir einen pädagogischen Paradigmenwechsel<br />

benötigen, und zwar weg von der Angebotsorientierung des Schulsystems, hin zu einer<br />

Nachfrageorientierung.“<br />

durch, dass sie vom System derart in die Sonderschulen, in die<br />

Hauptschulen hineingedrückt werden, dass sie ohne Perspektive<br />

sind. Es ist absehbar, dass sie sich auflehnen werden, da sie<br />

mit dieser Situation nicht zurechtkommen.<br />

Wie Frau Ziegon gesagt hat: Ihnen fehlen männliche Vorbilder,<br />

die die Jungen spezifischer fördern und auch mehr auf ihre Ängste,<br />

Sorgen, Zukunftsängste eben eingehen. Ich habe hohen Respekt<br />

davor, dass Frauen sich im Kindergarten als Erzieherinnen<br />

und in den Grundschulen als Lehrerinnen einen Bereich nahezu<br />

vollständig für sich erobert haben, das ist ein schöner Erfolg.<br />

Aber dafür können sich die Schüler nicht viel kaufen, denn eine<br />

Lehrerin oder eine Erzieherin kann nun einmal von ihrer Geschlechtszugehörigkeit<br />

her kein direktes Vorbild für einen Jungen<br />

oder für einen jungen Mann sein. Da haben wir Hausaufgaben<br />

zu erledigen, die darauf hinauslaufen, dass wir das Absinken<br />

von jungen Männern in ihrer Leistungsfähigkeit und in<br />

ihrer Sozialkompetenz verhindern müssen. In der Konsequenz<br />

dieses Abwärtstrends klammern sie sich in beängstigender<br />

Weise an traditionelle Männerrollen. Während Frauen die Verbindung<br />

von Beruf und Familie befürworten und dies auch<br />

anstreben, fallen viele junge Männer ab. Es ist ein deutlicher<br />

Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern zu verzeichnen.<br />

Wir machen Fehler im pädagogischen Aufbau der Schule,<br />

die zu einer Verschlechterung des Leistungsstandes und der<br />

Sozialkompetenz von vielen jungen Männern führen. Dies trifft<br />

selbstverständlich nicht auf alle zu, aber die Gruppe ist zu groß.<br />

Eine solche Problematik ist bei den Mädchen und bei den jungen<br />

Frauen in deutlich geringerem Maße zu verzeichnen.<br />

1. Tests führen letztendlich zur Verengung des Horizonts. Lehrer<br />

sind ja intelligente Menschen, die folglich das unterrichten<br />

werden, was später abgefragt wird. Und wenn immer weniger<br />

abgefragt wird, dann führt das zu einer Verengung.<br />

2. Das führt zu den gleichen Reaktionen bei Schülern und<br />

Eltern. Abfragbares Routinewissen tritt in den Vordergrund,<br />

in der Wissensgesellschaft jedoch ist das immer weniger von<br />

Bedeutung.<br />

Alles, was wir heute digitalisieren und automatisieren können,<br />

was sich leicht testen, leicht unterrichten lässt, dem kommt<br />

immer weniger Bedeutung zu. Es sind andere Entscheidungskompetenzen<br />

gefragt. Und solange die in Evaluationssystemen<br />

nicht ausreichend zur Geltung kommen, gibt es ein Ungleichgewicht.<br />

Das heißt nicht, dass man unbedingt weniger testen<br />

sollte, aber man muss das Verhältnis korrigieren zwischen dem<br />

Evaluieren und der Nutzung von Evaluation.<br />

Ich möchte noch ein von uns tabuisiertes Thema ansprechen,<br />

nämlich die Struktur unseres gesamten Schulsystems. Es<br />

herrscht ein stillschweigender Konsens, dass man aus den Pisa-<br />

Ergebnissen nichts schließen könne über den Aufbau unseres<br />

Schulsystems und schon gar nicht daraus ableiten könne, dass<br />

wir eine andere Struktur insbesondere des Sekundarstufensystems<br />

benötigten. Selbstverständlich: Die Motivation, sich so zu<br />

verhalten, ist nachvollziehbar. Wir haben eine schrecklich<br />

unfruchtbare Diskussion über eine Reform des Sekundarschulsystems<br />

in den 1980er-Jahren gehabt, die uns praktisch nichts<br />

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