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Bild - Verband Bildungsmedien eV

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leibe bei dem Begriff Integration, die wir an unserer Schule<br />

erreichen wollen.<br />

Hier wurde die Frage aufgeworfen, ob es peinlich sei, dass wir<br />

für unsere Bemühungen mit einem deutschen Nationalpreis<br />

ausgezeichnet wurden. Dazu möchte ich gleich Stellung nehmen.<br />

Die deutsche Nationalstiftung wird von der politischen<br />

und der wirtschaftlichen Elite in Deutschland gefördert, und da<br />

kann von Peinlichkeit keine Rede sein. Wir waren zwar sehr<br />

erstaunt, dass wir als kleine Realschule in Berlin mit 370 Schülern<br />

diesen Preis, um den wir uns ja nicht beworben hatten,<br />

bekommen haben.Aber wenn die politische und wirtschaftliche<br />

Elite in Deutschland eine Schule , die den demokratischen Weg<br />

einer solchen Selbstverpflichtung beschreitet, für würdig befindet,<br />

diesen Preis zu erhalten, dann finde ich das eigentlich in<br />

gerieten wir ins Kreuzfeuer der internationalen Presse. Natürlich<br />

kann ich verstehen, dass die Migranten sensibel sind. Die<br />

Integrationspolitik ist teilweise vernachlässigt worden. Wir<br />

haben uns lange Jahre mit uns selbst beschäftigt und über das<br />

Thema Integration gar nicht mehr nachgedacht, geschweige<br />

denn irgendetwas entwickelt. Es entstand ein Vakuum, und<br />

jetzt stehen wir wieder da und müssen uns damit beschäftigen.<br />

Ich möchte Ihnen einmal sagen, was wir an unserer Schule<br />

gemacht haben. Ich habe zusammen mit dem Elternsprecher,<br />

der Türke ist, versucht, muttersprachlichen Unterricht, das<br />

heißt türkischen Unterricht, bei uns an der Schule zu etablieren,<br />

und zwar außerhalb des Regelkatalogs, weil die Schüler<br />

sowieso schon 32, 33 Stunden haben. Der muttersprachliche<br />

Unterricht sollte nachmittags stattfinden. An dem ersten<br />

„Wir wollen keine Assimilation. Wir möchten eine Integration erreichen. Wir beabsichtigen<br />

nicht, die Wurzeln zu den Herkunftssprachen, zu den Herkunftskulturen, zu der Geschichte<br />

unserer Schüler zu kappen. Auf gar keinen Fall wollen wir eine Zwangsgermanisierung, ich<br />

bleibe bei dem Begriff Integration, die wir an unserer Schule erreichen wollen.“<br />

Ordnung. Darüber hinaus haben wir den Preis für unsere Schule<br />

gut gebrauchen können. Wir haben mit den Mitteln unsere<br />

Aula ausgebaut, und ich weiß nicht, was eigentlich daran peinlich<br />

sein soll.<br />

Wir sind eine Oberschule, die die Klassen 7 bis 10 umfasst.<br />

Unsere Schüler sind zwischen 12 und 17 Jahre alt. Wir hatten<br />

eine Reihe von Vorfällen mit Aggressionen, die wir bewältigen<br />

mussten, und ich habe mich ganz persönlich darum gekümmert.<br />

Immer wieder hörte ich in diesem Zusammenhang von<br />

den Schülern, dass sie nicht verstanden hätten, was über sie<br />

geredet wurde. Vermutlich hat man gar nicht über sie oder<br />

einen einzelnen Schüler geredet, aber Jugendliche sind sehr<br />

sensibel. Sie haben darauf reagiert. Wir hatten seit einigen Jahren<br />

bereits Konfliktlotsen, das sind Schüler, die sich um Streitfälle<br />

kümmern. Sie hatten sehr viel zu tun. Als wir die Deutschverpflichtung<br />

eingeführt haben, kamen sie zu uns und berichteten,<br />

dass die Vorfälle, in denen ein Eingreifen nötig war,<br />

so zurückgegangen seien, dass sie kaum noch etwas zu tun<br />

hätten. Das hat uns bestätigt, dass wir den richtigen Weg<br />

gegangen sind.<br />

Unser Pech war, dass man genau in der unseligen Debatte über<br />

den Fragebogen zur Einbürgerung in Baden-Württemberg, den<br />

ich auch nicht gutheiße, auf uns aufmerksam wurde. Zu diesem<br />

Zeitpunkt bestand unsere Deutsch-Verpflichtung bereits seit<br />

zehn Monaten, und bislang hatte sich kein Mensch darum<br />

gekümmert. Plötzlich dann, im Zusammenhang mit der Gesamtdebatte<br />

über Integration und wie diese zu regeln sei,<br />

Elternabend zu diesem Thema waren von 230 türkischen Familien<br />

sage und schreibe 12 interessierte Eltern anwesend. Dann<br />

habe ich mich bemüht, die Eltern noch einmal in Türkisch anzuschreiben,<br />

woraufhin beim zweiten Elternabend 30 von 230<br />

Eltern kamen. Nun war ich es auch leid und habe mich entschlossen,<br />

trotzdem mit dem Vorhaben weiterzumachen. Ich<br />

suchte mir kompetente türkische Lehrkräfte, die für die mittlerweile<br />

34 interessierten Schüler muttersprachlichen Unterricht<br />

anbieten sollten. Eine Wertschätzung der anderen Kultur<br />

von unserer Seite war also vorhanden, aber ich könnte mir vorstellen,<br />

dass die Mehrheit der 230 türkischen Familien meiner<br />

Schule sagt: „Was soll das alles? Wir bleiben sowieso hier und<br />

sollten uns von daher auf Deutsch konzentrieren, auf die zweite<br />

Fremdsprache Englisch, eventuell noch auf die dritte Französisch,<br />

und wir lassen das Türkisch sein, weil wir sowieso nicht<br />

mehr die Verbindungen in unsere alten Heimat haben, die wir<br />

früher hatten.“<br />

Anders als im Fall von ihrer Herkunft nach englisch- oder französischsprachigen<br />

Schülern gibt es offenbar nur ein geringes<br />

Interesse am Fach Türkisch als Fremdsprache. Hier bleibt sicher<br />

ein Potenzial, das in der Mehrsprachigkeit steckt, ungenutzt,<br />

aber es handelt sich einfach um ein Problem mangelnder Nachfrage.<br />

Die Grundschulen im Umfeld unserer Oberschule berichten,<br />

dass die Kinder anfangs noch ein Interesse hätten, die türkische<br />

Muttersprache zu lernen, dass dieses aber im Laufe der<br />

Zeit rapide abbröckelt. Ich habe natürlich auch keine Erklärung<br />

dafür, sondern kann das hier nur feststellen.<br />

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