Bild - Verband Bildungsmedien eV
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uns am Gymnasium überfordert ist, dann ist es oft sinnvoller,<br />
nach der Klasse 6, also nach Beendigung der Erprobungsstufe,<br />
zu entscheiden, dass das Kind erst einmal die Realschule besuchen<br />
soll. Das stellt an unserer Schule schon einmal kein<br />
Problem dar, da das Kind nicht den Schulort wechseln muss.<br />
Möglicherweise kommt dieses Kind, das haben wir auch erlebt,<br />
dann in der Jahrgangsstufe 11 wieder zu uns zurück, ohne<br />
ein einziges Jahr verloren zu haben. Nur konnte es nach der<br />
6. Klasse vielleicht unbeschwerter und ohne Angst zur Schule<br />
gehen, dort endlich einmal Erfolg erleben und nicht immer nur<br />
Fünfen kassieren.<br />
Ich finde es daher zwar durchaus verständlich, wenn Eltern<br />
nicht wollen, dass ihr Kind sitzenbleibt, möchte aber auch<br />
darauf hinweisen, dass das Sitzenbleiben bzw. der Schulwechsel<br />
für ein Kind auch eine Wende zum Besseren bedeuten<br />
kann, weil es endlich aus der Schulform herauskommt, in der<br />
es überfordert ist. Wenn ein Kind von der Realschule zur<br />
Hauptschule oder von der Realschule zum Gymnasium wechselt,<br />
so ist der Kontakt zwischen den einzelnen Schulformen<br />
bei uns in Münster-Hiltrup wegen der genannten räumlichen<br />
Einheit leicht herzustellen. Selbstverständlich spricht man<br />
sich in solchen Situationen unter den Kollegen ab. Eine inhaltliche<br />
Zusammenarbeit der einzelnen Schulen gibt es indes<br />
kaum.<br />
Ich möchte jedoch in diesem Kontext noch auf eine andere<br />
Entwicklung hinweisen: Wir haben in NRW die Berufskollegs,<br />
und diese bieten sowohl einen allgemein bildenden Abschluss,<br />
die Fachoberschulreife, als auch die Fachhochschulreife nebst<br />
einer berufsqualifizierenden Ausbildung an. Und es gibt auch<br />
die Möglichkeit, in vier Jahren den allgemein bildenden Abschluss<br />
für das Abitur zu erwerben und anschließend direkt ein<br />
Studium zu beginnen. Die vielfach eingeforderte Durchlässigkeit<br />
ist also heute nach der Klasse 10 bereits gegeben. Wir<br />
haben in vielen Städten die Berufskollegs als echte Alternative<br />
für Schüler, die nach der Klasse 10 das Gymnasium verlassen<br />
wollen, weil sie zusätzlich zum Abitur auch einen Berufsabschluss<br />
oder zumindest berufliche Kenntnisse im Bereich beispielsweise<br />
der Naturwissenschaften oder auch der Wirtschaftslehre<br />
erlangen möchten.<br />
Gerade in der letzten Zeit wird viel über das Fordern und Fördern<br />
der Kinder in der Schule diskutiert. Dafür, dass es mit der<br />
individuellen Förderung an der Grundschule etwas besser zu<br />
klappen scheint als am Gymnasium, gibt es sicherlich verschiedene<br />
Gründe:<br />
Erstens haben Gymnasiallehrer eine andere Ausbildung als<br />
Grundschullehrer. Bei ihnen steht die Wissensvermittlung im<br />
Vordergrund, und auch die Richtlinien am Gymnasium sind<br />
darauf angelegt, am Ende einer jeden Klasse ein bestimmtes<br />
Pensum erreicht zu haben. Dies ist neuerdings über Lernstandserhebung<br />
genau überprüfbar. Das gerade eingeführte<br />
Zentralabitur reglementiert uns Gymnasiallehrer hier noch<br />
weitaus stärker, als ich das vorher vermutet hätte.<br />
Zweitens haben sich die äußeren Bedingungen am Gymnasium<br />
in den letzten Jahren erheblich verschlechtert. Wenn<br />
Sie sich vorstellen, dass die Klassen heute häufig eine Stärke<br />
von 33 Kindern erreichen, dann ist in den Gymnasien eine ähnlich<br />
individuelle Förderung wie im Bereich der Grundschulen,<br />
wo bisweilen nur 20 Kinder in einer Klasse sind, kaum noch<br />
möglich.<br />
Am Immanuel-Kant-Gymnasium sind wir dieser Herausforderung<br />
dadurch begegnet, dass wir beispielsweise Förderinseln für<br />
alle Kinder, die versetzungsgefährdet sind, eingerichtet haben.<br />
Dass wir ein Förderprogramm aufgelegt haben und Förderempfehlungen<br />
gegeben werden, ging noch auf die alte Landesregierung<br />
von SPD und Grünen zurück. Heute sind diese Förderprogramme<br />
durch das neue Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen<br />
systematisch weiterentwickelt worden. Sobald sich bei einem<br />
Kind Defizite in einem Hauptfach abzeichnen, sollte die Schule<br />
gemeinsam mit den Eltern eine Förderempfehlung besprechen;<br />
die Eltern sollten mit den Fördermaßnahmen nicht allein gelassen<br />
werden. Dazu bilden wir ebensolche Förderinseln, wo nachmittags<br />
schulische Defizite mit drei bis vier Kindern aufgearbeitet<br />
werden können.<br />
Wir sagen den Eltern dabei ganz bewusst, dass es hierbei nicht<br />
um eine Art Nachhilfeunterricht geht, sondern darum, Mängel<br />
in den Wissensgrundlagen möglichst früh aufzuarbeiten. Deshalb<br />
starten die Förderinseln auch bereits sechs Wochen nach<br />
dem Halbjahresbeginn. Manche Kinder können relativ rasch aus<br />
diesen Förderinseln entlassen werden. Sie wollen aber häufig<br />
gerne bleiben, weil sie es als eine große Sicherheit empfinden,<br />
zusätzlich über die Schule gefördert zu werden. Die Förderinseln<br />
werden von qualifizierten Lehrkräften betreut, während<br />
wir beim normalen Hausaufgabenbetreuungsangebot ältere<br />
Schüler der Oberstufe einsetzen, die natürlich auch einen anderen<br />
Zugang zu und einen anderen Umgangston mit den Mitschülern<br />
haben. Trotz dieses guten Angebots der Förderinseln<br />
bleibe ich dabei: Die Annahme, man könnte am Gymnasium mit<br />
Klassen von 33 Kindern eine ähnlich intensive individuelle Förderung<br />
wie in der Grundschule betreiben, ist eine Illusion. Darüber<br />
hinaus wird das Gymnasium heute auch von sozialen Problemen<br />
der Schülerschaft eingeholt, die früher im Wesentlichen<br />
die Hauptschule betroffen haben und auch heute noch betreffen.<br />
Die schulische Situation ist also heute auch an den Gymnasien<br />
wesentlich schwieriger geworden.<br />
Aber um auf die Themenstellung zurückzukommen: Eltern sollten<br />
sich sehr genau über die Profile der einzelnen Schulen<br />
informieren. Gerade auf die Förderung der Zweisprachigkeit<br />
in bilingualen Gymnasien lassen sich z. B. sehr häufig auch<br />
Eltern ein, deren Kinder nichtdeutscher Abstammung sind,<br />
weil sie in der Sprache Englisch eine Chance auf mehr Internationalität<br />
sehen.<br />
Ansonsten würde ich zumindest im Grundschulbereich dafür<br />
plädieren, dass möglichst Kinder aus allen sozialen Schichten in<br />
einer Klasse vereint sind; die Trennung findet dann in Nord-<br />
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