Leben mit dem Tourette-Syndrom - Tourette-Gesellschaft Deutschland
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6 Diskussion und Ausblick 99<br />
Wünschenswert ist es auch, dass alternative Behandlungsmethoden weiter wissenschaftlich<br />
untersucht werden. So wurde mir durch den Kontakt <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Interviewpartner<br />
Hermann bewusst, dass sich bei ihm die Ernährungsumstellung, der<br />
Verzicht auf Milch- und Fleischprodukte, sehr positiv auf seine Tic-Symptomatik<br />
ausgewirkt hat. Da hierzu aber noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
angestellt worden sind, wissen wahrscheinlich auch die wenigsten Betroffenen<br />
davon oder probieren es gar nicht aus, da sie dieser unerforschten Methode nicht<br />
trauen bzw. nicht näher Beachtung schenken.<br />
Dadurch, dass die Tics in der Öffentlichkeit auffallen und teilweise provozierend<br />
auf die Mitmenschen wirken, wie z.B. die Koprolalie, führt dieses nicht selten zu<br />
psychosozialen Belastungen. Menschen <strong>mit</strong> einem <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> zeigen eine<br />
unterwünschte Abweichung von den herrschenden Normen und Erwartungen der<br />
<strong>Gesellschaft</strong>, so dass ihnen nach GOFFMAN (1992) ein Stigma zugewiesen werden<br />
kann. Sie sind also häufig Stigmatisierungen ausgesetzt, werden angesprochen,<br />
angestarrt oder gehänselt. Durch die Uninformiertheit vieler Menschen über das<br />
<strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> schreiben diese den Betroffenen oft noch andere Eigenschaften<br />
zu, so gehen sie z.B. davon aus, dass sie auch geistig eingeschränkt seien. Das<br />
Stigma wird so<strong>mit</strong> schließlich auch noch zum master status, es findet also eine<br />
Generalisierung statt.<br />
Viele der Symptome und Merkmale, die in der Literatur zur Kennzeichnung des<br />
<strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong>s angeführt werden, konnte ich bei den befragten Personen, vor<br />
allem durch die Erzählungen, wieder finden und mir so<strong>mit</strong> ein konkretes Bild machen<br />
und die Literaturhinweise besser nachvollziehen.<br />
Durch die Interviews ist mir bewusst geworden, welche Besonderheiten die<br />
Krankheit <strong>mit</strong> sich bringt und dass es unbedingt notwendig ist, sensibel und offen<br />
auf Menschen <strong>mit</strong> einem <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> zuzugehen.<br />
Belastend sind für Hermann, Anna und für Sven vor allem die meistens negativen<br />
Reaktionen der psychosozialen Umwelt. In Erinnerung ist besonders ein Satz von<br />
Hermann geblieben: „Schlimm ist nicht das <strong>Tourette</strong>, schlimm sind die anderen!“