Leben mit dem Tourette-Syndrom - Tourette-Gesellschaft Deutschland
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6 Diskussion und Ausblick 100<br />
Die Reaktionen sind oft am Schlimmsten und das, obwohl die Tics an sich auch<br />
schon körperliche Belastungen, wie Schmerzen oder Krämpfe, <strong>mit</strong> sich bringen<br />
können.<br />
Besonders wichtig für die psychosoziale Situation der Betroffenen <strong>mit</strong> einem <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
ist es deshalb, dass die <strong>Gesellschaft</strong> noch mehr über diese chronisch<br />
neuropsychiatrische Erkrankung aufgeklärt wird, so dass die Menschen viel<br />
sensibler und offener da<strong>mit</strong> umgehen können. Die oft ablehnenden Reaktionen<br />
resultieren meistens aus Unwissenheit und daraus, weil es nicht als normal angesehen<br />
wird, wenn jemand einen motorischen oder vokalen Tic ausübt. Die Tics<br />
weichen von der gesellschaftlichen Norm ab. Der Mensch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Tourette</strong>-<br />
<strong>Syndrom</strong> wird also durch seine Tics gekennzeichnet. Oftmals bekommt er nicht<br />
mal die Chance richtig kennen gelernt zu werden. Durch mehr Öffentlichkeitsund<br />
Aufklärungsarbeit über das <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> muss dieses für alle selbstverständlich<br />
werden und einfach zu <strong>dem</strong> entsprechenden Menschen dazugehören.<br />
LEYENDECKER (2005a) bringt dieses sehr schön <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Blick für das Qualitativ-<br />
Menschliche auf den Punkt, „d.h. die Person <strong>mit</strong> einer Körperschädigung nicht<br />
nur über ihren Schaden als defizitär zu betrachten, sondern sie als Menschen <strong>mit</strong><br />
ihrer unverwechselbaren Qualität zu respektieren, einer Qualität, zu der auch die<br />
körperliche Schädigung gehört“ (LEYENDECKER, 2005a, S. 119, Hervorhebung im<br />
Original).<br />
Aus den geführten Interviews <strong>mit</strong> Hermann, Anna und Sven kommt zum Ausdruck,<br />
dass für die Bewältigung belastender Situationen hauptsächlich intrapsychische<br />
Bewältigungsformen genutzt werden. Mit Hilfe von Abwehrmechanismen,<br />
die den intrapsychischen Bewältigungsformen bei LAZARUS & FOLKMAN<br />
(1984) subsumiert sind, bewältigen <strong>dem</strong>nach die drei Betroffenen besonders ihr<br />
<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong>. Dieses lässt darauf schließen, dass sie unangenehme<br />
Situationen, Gedanken und Gefühle eher vom Bewusstsein fernhalten, in<strong>dem</strong><br />
sie sie verdrängen, verleugnen, ignorieren, hoffen, etc, als dass sie direkt etwas<br />
dagegen tun. Dennoch werden aber auch Sport, Entspannungsübungen, Medikamenteneinnahme,<br />
Ernährungsumstellung etc., also Strategien der direkten<br />
Aktion, in Anspruch genommen.