Leben mit dem Tourette-Syndrom - Tourette-Gesellschaft Deutschland
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5 Eine qualitative Befragung 73<br />
das Bein geht. Das Umleiten oder Verschieben von Tics gelingt ihm aber kaum,<br />
da das „eine unheimlich anstrengende Sache ist“ (Z 196) und man sich die ganze<br />
Zeit intensiv konzentrieren muss und deshalb dann auch nichts anderes mehr machen<br />
kann.<br />
2. Aspekte zur Stigmatisierung<br />
Hermann erlebt oft, dass seine Mitmenschen ihn merkwürdig angucken, ihn nicht<br />
für normal einstufen und ihn fragen, ob er nicht mehr ganz richtig ticke (Z 351).<br />
Meistens geht er dann auf diese Menschen offen zu und erklärt ihnen, dass er das<br />
<strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> hat, da er sich von den Leuten nicht mehr so behandeln lassen<br />
möchte (Z 355). Die Reaktion nach dieser Erklärung ist dann von den meisten<br />
Menschen auch positiv und sie entschuldigen sich für ihr Verhalten. Viele Menschen<br />
in seiner Heimatstadt Speyer wissen <strong>mit</strong>tlerweile, -teilweise durch einen<br />
Fernsehbericht bei RTL2 über Hermann und sein <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong>, aber auch<br />
durch einige Zeitungsberichte über ihn-, dass es sich bei seinen Tics um eine neuropsychiatrische<br />
Erkrankung handelt und akzeptieren ihn so wie er ist.<br />
An Tagen, an denen es Hermann gar nicht gut geht und seine Tics stark ausgeprägt<br />
sind, geht er auch gar nicht aus <strong>dem</strong> Haus, um den Reaktionen aus <strong>dem</strong> Weg<br />
zu gehen. Hermann hat auf seiner Homepage folgendes formuliert: „Schlimm ist<br />
nicht das <strong>Tourette</strong>, schlimm sind die anderen!“ (Z 400). Mit diesem Satz möchte<br />
er u. a. auch ausdrücken, dass die negativen Reaktionen so fertig machen können,<br />
dass man sich kaum noch aus <strong>dem</strong> Haus traut.<br />
3. Aspekte zur eigenen Identität<br />
Bevor bei Hermann die Diagnose <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> festgestellt wurde, wurde er<br />
im Laufe der Jahre immer deprimierter, da er selbst nicht wusste, was <strong>mit</strong> ihm los<br />
ist und er keine Erklärung dafür hatte. Alle, Ärzte, Psychologen, Psychiater, Heilpraktiker,<br />
Allergologen, sagten ihm etwas anderes und so musste er 18 Jahre lang<br />
ohne richtige Diagnose leben. Dieses führte dahin, dass er sich irgendwann in<br />
einer richtigen „<strong>Leben</strong>skrise“ befand, weil er einfach nicht wusste, was <strong>mit</strong> ihm<br />
los war (Z 108). Trotz<strong>dem</strong> gab es auch Zeiten vor der Diagnose, in denen Her-