25.09.2014 Aufrufe

Leben mit dem Tourette-Syndrom - Tourette-Gesellschaft Deutschland

Leben mit dem Tourette-Syndrom - Tourette-Gesellschaft Deutschland

Leben mit dem Tourette-Syndrom - Tourette-Gesellschaft Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

3 Zur psychosozialen Situation behinderter Menschen 37<br />

Einstellung. So wird sich z.B. <strong>mit</strong> Spenden für einen guten Zweck von der Verpflichtung<br />

zu helfen losgekauft, so dass der tatsächlichen Konfrontation <strong>mit</strong> behinderten<br />

Menschen aus <strong>dem</strong> Weg gegangen werden kann. Originäre Reaktionen<br />

und offiziell erwünschte Reaktionen sind kaum <strong>mit</strong>einander zu vereinbaren.<br />

3.1.2 Stigma und Stigmatisierung<br />

Der Begriff Stigma kommt aus <strong>dem</strong> Griechischen und heißt übersetzt soviel wie<br />

Stippchen, Wundmal, Merkmal oder Kennzeichen (PSCHYREMBEL, 1998). Die<br />

Griechen schnitten oder brannten Zeichen in den Körper einer für unrein erklärten<br />

Person. Die Zeichen sollten etwas Ungewöhnliches oder Schlechtes über den moralischen<br />

Zustand des Zeichenträgers, der ein Sklave, Verbrecher oder Verräter<br />

war, aussagen (GOFFMAN, 1992).<br />

Heute wird ein Stigma nicht mehr unbedingt auf ein körperliches Zeichen angewendet,<br />

sondern auf die Unehre selbst. GOFFMAN (1992) erläutert den Begriff des<br />

Stigmas folgendermaßen näher:<br />

„Ein Individuum, das leicht in gewöhnlichen sozialen Verkehr hätte aufgenommen<br />

werden können, besitzt ein Merkmal, das sich der Aufmerksamkeit aufdrängen und<br />

bewirken kann, daß wir uns bei der Begegnung <strong>mit</strong> diesem Individuum von ihm abwenden,<br />

wodurch der Anspruch, den seine anderen Eigenschaften an uns stellen,<br />

gebrochen wird. Es hat ein Stigma, das heißt, es ist in unerwünschter Weise anders,<br />

als wir es antizipiert hatten (GOFFMAN, 1992, S. 13).“<br />

Begegnet ein Individuum zum ersten Mal ein anderes Individuum, macht es sich<br />

aus den ersten Informationen, <strong>dem</strong> äußeren Erscheinungsbild und aus der Zugehörigkeit<br />

zu einer sozialen Kategorie ein Bild von ihm. Es handelt sich hierbei um<br />

eine Zuschreibung antizipierter Vorstellungen. GOFFMAN (1992, S. 10) nennt dieses<br />

die „virtuale soziale Identität“. Der virtualen sozialen Identität steht die „aktuale<br />

soziale Identität“ gegenüber, also die tatsächlichen Kategorien und Eigenschaften<br />

des Individuums, die im Umgang <strong>mit</strong> ihm erfahren werden. Weicht die<br />

aktuale von der virtualen sozialen Identität negativ ab entsteht ein Stigma. Der<br />

Mensch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Stigma weicht <strong>dem</strong>nach in seiner aktualen sozialen Identität von

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!