Weblink...(PDF) - Dr. Stephan Rosiny
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4.4 Erfahrungen mit dem Islamischen Religionsunterricht<br />
4.4.1 Der Religionsunterricht der Islamischen Föderation Berlin (IFB)<br />
Irka-Christin Mohr<br />
31 Berliner Grundschulen bieten Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder zum islamischen Religionsunterricht<br />
anzumelden. Im Schuljahr 2007/ 2008 nahmen rund 4.600 Schüler/innen dieses<br />
Angebot wahr (im Schuljahr 2009/10: 4.755) . Die Islamische Föderation in Berlin (IFB)<br />
als Trägerin des freiwilligen Faches hat dafür 4 Lehrer/innen und 17 Lehrer unter Vertrag.<br />
Hinter den Zahlen steckt ein Stück Normalität: Die Kinder gehen nicht zu „Reli“, sie gehen zu<br />
„Islam“.<br />
Derweil blickt der islamische Dachverband auf einen mehr als zwei Jahrzehnte währenden<br />
Konflikt mit dem Berliner Senat um das Recht auf die Erteilung islamischen Religionsunterrichts<br />
und die konkrete Umsetzung dieses Rechts zurück. Eine schlechte Presse und chronisches<br />
Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber dem von der IFB verantworteten Unterricht<br />
waren die Folge. Als auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Mai 2007 der Vertreter<br />
des Senats äußerte, es sei nicht erkennbar, dass der islamische Religionsunterricht sich<br />
desintegrativ auswirke, war das ein erstes, mit Erstaunen zur Kenntnis genommenes öffentliches<br />
Zeichen für ein mögliches Tauwetter. Dennoch, und trotz vieler Anstrengungen, von<br />
denen die Lehrer/innen berichten, das Misstrauen in den Schulen zu überwinden, ist das<br />
Gefühl vorherrschend, beim nächsten kleinen Hindernis könnten die Beziehungen wieder<br />
zerbrechen.<br />
2001 begann die IFB an zwei Berliner Grundschulen mit dem Unterricht. Der Rahmenplan<br />
stammt aus der Feder des Instituts für Interreligiöse Pädagogik und Didaktik (IPD) in Köln.<br />
Dort erarbeiten Musliminnen seit 1993 Lehrmaterialien für den islamischen Unterricht in der<br />
Moschee, in der Schule und im Elternhaus. Ihr Rahmenplanentwurf aus dem Jahr 2000 fällt<br />
unter den deutschen Lehrplantexten für den islamischen Religionsunterricht durch seine hohe<br />
Professionalität und Originalität auf. Letzteres lässt sich auch darauf zurückführen, dass<br />
es sich nicht um einen staatlich verantworteten Rahmenplan und folglich auch nicht um ein<br />
Standardformat handelt. Der Rahmenplan vermittelt Islam als Repertoire an Wahrheiten, die<br />
jeder Mensch sich individuell aus dem Koran heraus erarbeiten muss und darf. Im Vordergrund<br />
steht der persönliche Weg hin zu Gott und die Genese von Werten und Normen für<br />
das gesellschaftliche Leben. Die Lehrplanerinnen des IPD wollen dafür Verfahrensweisen<br />
vermitteln, die sie gemeinsam mit den Schüler/innen aus dem Koran herleiten. 70<br />
Der Vorstand der IFB hat sich für den Rahmenplan des IPD entschieden, weil, so der Verantwortliche<br />
für den islamischen Religionsunterricht in einem Interview im Jahr 2001, der<br />
Text das Ziel erkennen lasse, Gott als den alleinigen Schöpfer anzuerkennen und seine<br />
Macht kennen zu lernen. Der Plan sei gottzentriert. 71 Die Lehrplanerinnen des IPD hingegen<br />
sahen die Geschöpflichkeit des Kindes im Zentrum ihres Unterrichts. Es war offensichtlich,<br />
dass die Berliner Anwender des Rahmenplans ihn anders lasen als seine Autorinnen. Das ist<br />
sicherlich nicht die Ausnahme, sondern die Regel bei der Interpretation von Rahmenplänen<br />
durch Lehrer/innen und Lehrer. Der Rahmenplan des IPD war zusätzlich noch absichtsvoll<br />
offen gestaltet, so dass er eine große Bandbreite an Lesarten geradezu herausforderte.<br />
Seit dem Frühjahr 2006 kooperiere ich im Rahmen meines Forschungsprojekts zur Islamischen<br />
Fachdidaktik mit der IFB. Die Erfahrungen mit dem islamischen Religionsunterricht,<br />
über die ich hier schreiben kann, stammen aus Gesprächen mit vier Berliner Lehrer/innen für<br />
islamische Religion. Die große Mehrheit der Lehrer/innen der IFB hat sich bisher nicht geäußert,<br />
so dass ich über ihren Unterricht nichts sagen kann. Dennoch, die Arbeit mit den vier<br />
Lehrkräften hat gezeigt, dass der islamische Religionsunterricht in Berlin didaktisch so vielfältig<br />
ist wie der Hintergrund der Lehrkräfte vielgestaltig ist.<br />
70 Zur Analyse des Rahmenplans des IPD vgl. Irka-Christin Mohr: Islamischer Religionsunterricht in<br />
Europa. Lehrtexte als Instrumente muslimischer Selbstverortung, Bielefeld 2006, S. 81-121.<br />
71 vgl. ebd., S. 128.<br />
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